Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Rot-gelbe Gedankenspiele der SPD
Sozialdemokraten machen der FDP Avancen mit Blick auf die Bundestagswahl
- Plötzlich gibt es neue Töne aus der SPD-Führung: jede Menge Lob der Spitzengenossen für die FDP und deren Parteivorsitzenden. Mit Christian Lindner werde er sich „bestimmt auch mal treffen“, kündigt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz an und nennt es „bemerkenswert“, dass der Chef der Liberalen keinen Steuerwahlkampf führen wolle.
Fast wehmütig erinnert der neue Hoffnungsträger der SPD an die sozialliberale Koalition im Bund von 1969 bis 1982 unter den früheren SPDKanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt, die Deutschland „ganz sicher moderner und demokratischer gemacht“habe. Der SPD-Chef erhält für seine Gedankenspiele prominente Unterstützung aus den eigenen Reihen. „Herr Lindner bemüht sich, nicht länger am Rockzipfel von Frau Merkel zu hängen und Brücken zu anderen Parteien aufzubauen“, findet auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nette Worte über den Chef der Liberalen.
Rot-gelber Flirt mitten in der Debatte über mögliche Koalitionsoptionen mit Blick auf die Bundestagswahl – nur wenige Tage nach dem Dämpfer für die SPD und dem CDUErfolg bei der Saarland-Wahl starten die Sozialdemokraten eine Charmeoffensive in Richtung der FDP. Schulz’ sPartei und die Anhängerschaft scheinen in der Koalitionsfrage gespalten zu sein. Der Wahlsonntag in Saarbrücken hat gezeigt, dass Rot-Rot kein Mehrheitsmodell ist. Ein Bündnis mit den Freidemokraten lehnen aber nicht wenige Genossen ab, die der Partei neoliberale Programmatik bescheinigen.
Die FDP-Spitze reagiert kühl auf die Avancen, sie will sich bisher nicht auf mögliche Koalitionspartner festlegen. Immerhin: Parteichef Lindner begrüßte am Donnerstag das Gesprächsangebot von Schulz und kündigte an, sich auch mit ihm treffen zu wollen. Die FDP werde sich jedoch nicht an Koalitionsdebatten beteiligen, erklärte der Liberale in der „Schwäbischen Zeitung“. „Ich freue mich, wenn die SPD ihre alten Feindbilder einpackt“sagte er. „Natürlich werde ich Herrn Schulz genauso treffen wie Frau Merkel“, sagte Lindner. „An Koalitionsdebatten wollen wir uns aber nicht beteiligen, weil wir lieber über eine neue Richtung für unser Land sprechen. Deshalb sollten CDU und SPD endlich einmal wie wir ihre Wahlprogramme vorlegen.“
Agenda 2030
Inhaltlich ging der FDP-Chef auf Distanz zur SPD. „Für uns bleibt die Belastungsgrenze der Bürgerinnen und Bürger ein wichtiges Thema. Wenn die SPD also über Steuererhöhungen sprechen will, dann werden die Gespräche kurz“, so Lindner. „Die bisherigen Äußerungen von Herrn Schulz weisen den Weg ja eher in Richtung Sozialstaat der 1990erJahre. Deutschland braucht aber keine Agenda 1995, sondern eher eine Agenda 2030“, erklärte er.
Noch deutlicher wurde FDP-Vizechef, Wolfgang Kubicki: „Der Schulz-Effekt hat ganz offensichtlich seinen Zenit überschritten“. Andernfalls gebe es keinen Grund, warum die SPD nach der Saarland-Wahl eine Debatte über Koalitionsmodelle anzettele.
Bei CDU und CSU gibt man sich gelassen. Das Werben der SPD um die FDP sei für die Union „eher nützlich“, erklärte CSU-Chef Horst Seehofer. Nach der Debatte über RotRot-Grün sei jetzt ein neues Bündnis im Gespräch. Dies werde vor allem auf der linken Seite verunsichern. „Und am Schluss weiß niemand mehr, was die SPD will“, erklärte er.