Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hollandes strahlende Erbschaft
Betreiber EDF verzögert Abschalt-Antrag für das Atomkraftwerk Fessenheim
- François Hollande hat es nicht geschafft, das Atomkraftwerk Fessenheim bis zum Ende seiner Amtszeit abzuschalten. Der Verwaltungsrat des Betreibers EDF vertagte am Donnerstag sein Votum – und lässt damit eine Tür für den Weiterbetrieb offen.
Fünf Jahre lang hatte François Hollande Zeit, sein Wahlversprechen Nummer 41 einzulösen: die Schließung des Atomkraftwerkes Fessenheim. Doch der französische Präsident wird Anfang Mai aus dem Amt scheiden, ohne dass er die Abschaltung des ältesten französischen Meilers in die Wege geleitet hat. Der Verwaltungsrat des Betreibers EDF vertagte am Donnerstag das Votum darüber, wie die Gewerkschaft CGT mitteilte. Damit bleibt das Schicksal der pannenanfälligen Anlage in der Schwebe, denn in gut zwei Wochen wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt – und der könnte sich für den Weiterbetrieb entscheiden.
Protest der Gewerkschaft CGT
Die Atomkraft ist in Frankreich weniger umstritten als in Deutschland. „Sieg für die Angestellten“, erklärte die CGT, die am Mittwoch vor der EDF-Zentrale in Paris gegen die Schließung protestiert hatte. Die Gewerkschaften, die für die mehr als 850 Beschäftigten sprechen, hatten gefordert, das Votum erst nach der Wahl zu fällen. Damit war die Hoffnung verbunden, dass Fessenheim doch am Netz bleibt, denn zwei der Kandidaten sind gegen das Aus: der Konservative François Fillon und die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Fillon will nicht nur die alten Reaktoren modernisieren, sondern sogar neue bauen. Für eine Abschaltung Fessenheims sind dagegen der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron sowie der Sozialist Benoît Hamon und der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon. Hamon und Mélenchon machen sich auch für einen kompletten Atomausstieg bis 2050 stark.
„Schockierende und gefährliche Entscheidung von EDF, die sich immer mehr in den nuklearen Bankrott begibt“, schrieb der Grünenpolitiker Yannick Jadot im Kurznachrichtendienst Twitter. Nicht nur Atomkraftgegner in Frankreich, Deutschland und der Schweiz fordern seit Langem eine Schließung von Fessenheim. Auch die Bundesregierung hat wiederholt auf eine Abschaltung der beiden Reaktoren gedrungen
Das AKW liegt nur rund 30 Kilometer von Freiburg entfernt am Oberrhein-Graben und damit in einem Erdbebengefährdeten Gebiet. Ein Reaktor ist schon seit mehr als einem halben Jahr abgeschaltet und der zweite musste am Wochenende auch heruntergefahren werden, weil Wasser austrat.
Umweltministerin Ségolène Royal hatte sich in den vergangenen Tagen für die Schließung starkgemacht, um damit bei EDF den Wechsel hin zu erneuerbaren Energien einzuleiten. „Ich warne die Verwaltungsratsmitglieder davor, dem Unternehmen mit ihrer Weigerung Schaden zuzufügen“, erklärte die frühere Lebensgefährtin Hollandes. Laut dem im Jahr 2015 verabschiedeten Energiewende-Gesetz soll der Anteil der Atomkraft bis 2025 von 75 auf 50 Prozent heruntergefahren werden. Dazu müssten allerdings laut Berechnungen des Rechnungshofes 17 der 58 Reaktoren geschlossen werden, was derzeit kaum vorstellbar ist. Das Energiewende-Gesetz sieht auch eine Obergrenze bei der Stromproduktion aus Atomkraft von 63,2 Gigawatt vor.
Deshalb sollte Fessenheim erst vom Netz gehen, wenn der Druckwasserreaktor EPR in Flamanville am Ärmelkanal anläuft. Das kann aber noch mehrere Jahre dauern, denn der EPR steht für eine beispiellose Pannenserie, die die Inbetriebnahme immer wieder verzögert. Inzwischen wird ein Betriebsstart für das Jahr 2019 anvisiert.