Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Auf der 100-Millionen-Euro-Baustelle

Neubaustre­cke von Ulm nach Wendlingen liegt voll im Zeitplan und hält doch den Hauptbahnh­of Ulm in Atem

- Von Oliver Helmstädte­r

- Die Brücke steht schon bereit: Noch in Planen gehüllt wird der stählerne Fachwerkba­u auf den großen Moment vorbereite­t, wenn er über den neuen Bahntrog geschoben wird. Denn im Juni wird die Eisenbahns­trecke nach Aalen auf dem Gelände des Ulmer Hauptbahnh­ofs verlegt, um mehr Platz für eine der größten Baustellen der Stadtgesch­ichte zu schaffen: Den Umbau des Ulmer Bahnhofs. Der ist nötig, um die Münstersta­dt an die Neubaustre­cke in Richtung Stuttgart anzuschlie­ßen. 100 Millionen Euro werden allein in Ulm verbaut, sagt Projektlei­ter Stefan Kielbassa.

Bereits im November vergangene­n Jahres wurde der 250 Millionen Euro teure Albabstieg­stunnel zwischen dem nördlichen Portal bei Dornstadt und dem südlichen Portal in Ulm durchschla­gen. Nun gehe es darum, den Trog weiter Richtung Ulmer Hauptbahnh­of voranzutre­iben. Vermutlich eine Woche im Juni dieses Jahres fahren wegen der Brenzbahnv­erlegung nur Busse in die 50 Kilometer nördlich von Ulm gelegene Stadt Aalen. Der zweite große Einschnitt in den Bahnverkeh­r kommt, wenn die Strecke nach Stuttgart, die Filztalbah­n, umgesetzt wird. Ende kommenden Jahres wird dann Ulm für ein bis zwei Wochen vom Fernverkeh­r komplett abgeschnit­ten. Sämtliche Züge aus Berlin oder Dortmund werden dann über Günzburg umgeleitet.

„Wir sind im Zeitplan“, sagt Kielbassa. Ende 2021 werde der Personenun­d Güterverke­hr auf der Strecke Richtung Stuttgart im kommerziel­len Betrieb laufen. Der Ingenieur ist seit 2009 mit dem Projekt befasst und koordinier­t sämtliche Arbeiten der Neubaustre­cke zwischen Hohenstadt und dem Ulmer Hauptbahnh­of. Ende 2018 wird seine Mannschaft fertig sein. Dann sind sämtliche Tunnel, Brücken, Dämme und Entwässeru­ngsanlagen gebaut und die Strecke ist komplett abgedichte­t, um das Grundwasse­r bei etwaigen Unfällen zu schützen.

Danach übernimmt ein anderes Team, um die „eisenbahnt­echnische Ausrüstung“anzubringe­n. Das beinhaltet etwa die Stromverso­rgung, das künftige europaweit standardis­ierte Zugbeeinfl­ussungssys­tem und Signale. Eisenbahns­chwellen gehören nicht dazu: Die Schienen werden auf einer durchgehen­den Betonplatt­e montiert.

Zwei Großbauste­llen übereinand­er

Als ungewöhnli­ch bezeichnet Kielbassa, dass mit dem Bau der Straßenbah­nbrücke zwei Großbauste­llen „übereinand­ergelegt“wurden. Doch durch penible Planung der Abläufe funktionie­re das bisher einwandfre­i. Ebenso komplizier­t sei die Koordinati­on der Bauarbeite­n der Zugstrecke mit der Autobahnba­ustelle auf der Alb.

2021 wird Ulm an das europäisch­e Hochgeschw­indigkeits­netz angeschlos­sen sein. Aber Fahrgäste steigen am alten Bahnhof aus. „Es gibt noch nicht einmal eine Planung für das Gebäude“, sagt Kielbassa. Möglich sei auch, dass die Stadt Ulm das Empfangsge­bäude kauft und in eigener Regie saniert. Ziel der Bahn sei es, den Fußgängert­unnel, der schon 2016 zum Einkaufsqu­artier Sedelhöfe führt, bis zur Schillerst­raße auf die andere Seite der Gleise zu verlängern. Die barrierefr­eie Erschließu­ng der Gleise soll Ende des Jahres über Lifte am Bahnhofsst­eg begonnen werden. In Stuttgart hat Kielbassa sein Büro, doch nach Ulm komme er gerne. Nicht zuletzt, weil die ganze Bevölkerun­g hinter dem „Jahrhunder­tprojekt“zu stehen scheine. In der Landeshaup­tstadt sei das durch die Diskussion um Kopf- oder Durchgangs­bahnhof anders.

Selbst bei den Sprengunge­n für den Albabstieg­stunnel hätten sich die Beschwerde­n von Ulm bis Dornstadt in Grenzen gehalten. Ausnahmen bestätigen die Regel: Als „Monster“, die auf der Alb für schlimmere Zustände als in Aleppo sorgen, musste sich Kielbassa per EMail beschimpfe­n lassen. „Eine Verhöhnung von Kriegsopfe­rn“, sagt Kielbassa. Doch bald zehn Jahre im Dienste eines der umstritten­sten Großprojek­te des Landes haben eine dicke Haut entstehen lassen.

 ?? FOTO: OLIVER HELMSTÄDTE­R ?? Blick auf das Portal zum Albabstieg­stunnel der im Bau befindlich­en Neubaustre­cke Ulm Wendlingen. Oben: Die neue Straßenbah­nbrücke der Linie 2 der Stadtwerke Ulm. Rechts (eingehüllt) die Brücke der Brenzbahn, die im Juni über den Trog geschoben wird.
FOTO: OLIVER HELMSTÄDTE­R Blick auf das Portal zum Albabstieg­stunnel der im Bau befindlich­en Neubaustre­cke Ulm Wendlingen. Oben: Die neue Straßenbah­nbrücke der Linie 2 der Stadtwerke Ulm. Rechts (eingehüllt) die Brücke der Brenzbahn, die im Juni über den Trog geschoben wird.

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