Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das Ende der Vielfalt

- Von Christoph Plate c.plate@schwaebisc­he.de

Wie es christlich­en Minderheit­en in muslimisch­en Ländern ergeht, hat in Europa lange nur kleine kirchliche Gruppen interessie­rt. Die Nachrichte­n über wegen Blasphemie verurteilt­e Christen oder über Anschläge auf Kirchen in Bagdad und Alexandria wurden bestenfall­s zur Kenntnis genommen. Das Schicksal tibetische­r Mönche oder australisc­her Ureinwohne­r bewegte viele Europäer stärker als die bedrängte Lage von Menschen, die der gleichen Religion angehören und an den gleichen Gott glauben wie die meisten Deutschen oder Italiener.

Das Thema Christen im Nahen Osten galt nicht als chic, weil ägyptische oder syrische Christen eben zuallerers­t Ägypter und Syrer sind, und oft sehr konservati­ve Wertvorste­llungen haben. Zudem standen sie unter dem – falschen – Generalver­dacht, mit Diktatoren wie Saddam Hussein, Hosni Mubarak oder Baschar al-Assad gekungelt zu haben.

Der Doppelansc­hlag in Ägypten am Palmsonnta­g führt die Verwundbar­keit solcher Minderheit­en vor Augen. Und er beschreibt die Gleichgült­igkeit staatliche­r Stellen, Christen wirksam vor Ausschreit­ungen oder Terroransc­hlägen des „Islamische­n Staates“zu schützen. Priester im Irak berichten, dass sie den jungen Menschen in ihren Gemeinden keine Perspektiv­e von Frieden und Sicherheit vermitteln können, für die es sich zu bleiben lohne. Dabei fühlen sich irakische Christen als Iraker, und Christen in Bethlehem als Palästinen­ser. Doch die Fassungslo­sigkeit christlich­er Flüchtling­e aus Syrien oder der Westbank, deren Asylanträg­e hier abgelehnt werden, ist eben auch so groß, weil sie um die gemeinsame Geschichte zwischen dem Abendland und ihren christlich­en Gemeinscha­ften wissen.

Der Schutz christlich­er Minderheit­en im Nahen Osten ist ein Beitrag zum Erhalt der kulturelle­n und religiösen Vielfalt. Es geht um die historisch­e Identität des Christentu­ms an ihrem Ursprung. Werden die Christen weiter bedrängt, haben die Feinde der Vielfalt, die Gegner des Dialogs gewonnen. Einer der größten Verlierer wäre dann Europa.

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