Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zu Person In Deckung
Der neunte UN-Generalsekretär
legte einen guten Start hin. Viele Mitarbeiter der Vereinten Nationen hofften, der 67-Jährige werde nach seinem blassen Vorgänger Ban Ki-moon für neuen Schwung sorgen. „Der richtige Mann zur richtigen Zeit“, jubelte die UNMitarbeiterzeitung „UN-Special“zu Beginn von Guterres’ fünfjähriger Amtszeit. Und Diplomaten sagten voraus, Guterres, der frühere Premierminister Portugals und Ex-UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, werde mächtigen UN-Mitgliedern wie den USA die Stirn bieten.
Heute ist Guterres 100 Tage in dem Amt. Doch seit einem Friedensappell am 1. Januar hat er keine aufrüttelnden Auftritte mehr hingelegt. Der als gewiefter Politfuchs geltende Guterres blieb weitgehend in Deckung.
Als UN-Generalsekretär verfügt er über keine eigentliche politische Macht. Er muss als oberster UN-Beamter den schwerfälligen Apparat der Weltorganisation führen, er muss die Interessen aller 193 UN-Mitglieder berücksichtigen, und er muss in allen großen internationalen Themen wie Konflikte, Hunger und Klimawandel verhandlungsfest sein.
Doch gerade bei der wichtigsten Herausforderung für die UN, der Schaffung von Frieden, konnte Guterres bislang nicht punkten. Beispiel Syrien: Guterres hatte versprochen, sich bei der Lösung von Konflikten „persönlich zu engagieren“. Doch er überlässt die Syrien-Gespräche weiter seinem überforderten Sondergesandten Staffan de Mistura. Auch traut sich Guterres gegenüber den USA nicht viel. Er reagierte nur verhalten auf die angekündigten drastischen Kürzungen von US-Beiträgen für das UN-Budget – Washington bestreitet 22 Prozent des UN-Haushaltes und ist somit größter Zahlmeister. Er sei bereit, mit den Amerikanern über alle Budgetfragen zu diskutieren, ließ Guterres über einen Sprecher verlauten.
Auch in der Debatte um das Einreiseverbot für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern scheute er vor offener Kritik zurück. Nach mehreren Tagen schließlich sagte er über die US-Politik: „Ich hoffe sehr, dass die getroffenen Maßnahmen nur temporär sind.“
Jan Dirk Herbermann (epd)