Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Auf den Angriff folgt die Frage nach der Strategie
US-Präsident Trump hat mit seinem Vorgehen in Syrien bei vielen gepunktet – Doch wie soll es nun weitergehen?
- Nach dem US-Angriff auf die Luftwaffenbasis alSchairat hielt der patriotische Schulterschluss zwischen Demokraten und Republikanern nur kurzzeitig. Es dauerte nicht lange, bis heftige Kritik laut wurde. Im Kern geht es um die Frage: Welche Strategie verfolgt das Oval Office?
Sehe man den Raketenschlag nur für sich, als Antwort auf eine barbarische Giftgasattacke, sei dagegen nicht viel einzuwenden, schreibt der Senator Chris Murphy, ein Demokrat aus dem Neuenglandstaat Connecticut, in einem Essay. Nur könne eine Militäraktion eben nie isoliert gesehen werden, ohne zu fragen, was ihr voranging und was danach kommen soll. Betrachte man sie im Kontext der bisherigen Nahostpolitik des Weißen Hauses, falle die Scheinheiligkeit auf, mit der sie begründet wurde, schreibt der Politiker. Trump behaupte, er habe den Angriffsbefehl gegeben, weil ihn die Bilder toter Kinder bewegten. „Begreift unser Präsident nicht, dass es dieselben Kinder sind, denen er zweimal die Einreise in unser Land zu verbieten versuchte?“, fragt Murphy im Hinblick auf das zweimal vor Gericht gescheiterte Einreiseverbot für Bürger aus bestimmten muslimisch geprägten Staaten. Aber Murphy ist keineswegs die Stimme der Demokraten.
Viele auf den Oppositionsbänken folgen eher Chuck Schumer, dem Fraktionschef der Partei im Senat, der Trump bescheinigt, das Richtige getan zu haben. Hillary Clinton sieht es ähnlich, auch wenn sie betont, dass dem Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis schnellstens um eine breiter angelegte Strategie zur Beendigung des Bürgerkriegs ergänzt werden müsse.
Was kommt danach? Die Frage, die schnell in den Mittelpunkt der Debatte rückte, beantwortet die Trump-Regierung einstweilen mit verwirrender Äußerungen. Nikki Haley, die UN-Botschafterin, die sich zusehends als Sprachrohr republikanischer Hardliner profiliert, spricht neuerdings auffallend oft von „Regime Change“in Damaskus, obwohl sie genau das vor ein paar Tagen noch so gut wie ausgeschlossen hatte. Solange Baschar al-Assad an der Macht sei, sei eine politische Lösung nicht möglich, sagte sie am Sonntag in einem CNN-Interview. Außenminister Rex Tillerson, parallel zu Haley in einer zweiten Talkshow auftretend, betonte seinerseits, dass der Kampf gegen den „Islamischen Staat“nach wie vor an erster Stelle stehe, nicht der Sturz des Autokraten.
Nur ein Warnschuss
Irgendwann in den nächsten Wochen oder Monaten rechnen die Amerikaner mit dem Fall der ISHochburg Rakka. Folgt man Tillerson, war der Schlag gegen Assad eher als Warnschuss gedacht, nicht als Beginn eines groß angelegten Bombardements. Erst wenn die vom IS ausgehende Gefahr reduziert sei, sagte er am Sonntag, könne man sich der Stabilisierung der Lage in Syrien widmen. Allerdings hat Trumps Chefdiplomat unmittelbar vor dem Angriff auf das Flugfeld al-Shayrat auch schon härtere Töne angeschlagen: Assad dürfe in der Regierung keine Rolle mehr spielen, erklärte er noch am Donnerstag.
So etwas wie ein Konzept lässt sich angesichts der rhetorischen Sprünge kaum erkennen. Robert Ford, ein früherer US-Botschafter in Damaskus, glaubt jedenfalls nicht, dass Trump plötzlich mit Hochdruck auf die Entmachtung des syrischen Diktators hinarbeitet. Vielmehr fühlt er sich an den Irak Mitte bis Ende der 1990er-Jahre erinnert: Bill Clinton, seinerzeit im Oval Office regierend, habe ab und an Cruise Missiles abfeuern lassen, ohne dass es Saddam Hussein groß beeindruckt hätte.