Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Emotionen sind keine guten Ratgeber für die Politik“

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- Harald Kujat, früherer Generalins­pekteur der Bundeswehr und Vorsitzend­er des NatoMilitä­rausschuss­es sieht den US-Angriff auf einen syrischen Stützpunkt kritisch. Warum, erklärt Kujat (Foto: Imago) im Gespräch mit Andreas Herholz.

Kanzlerin Merkel und Außenminis­ter Gabriel haben den USLuftangr­iff auf einen syrischen Stützpunkt als Reaktion auf den Giftgasein­satz in Syrien als „nachvollzi­ehbar“bezeichnet. Teilen Sie diese Einschätzu­ng?

Bisher gibt es nur Mutmaßunge­n über die Hintergrün­de des Giftgasang­riffs in Syrien. Auch die amerikanis­che Regierung hat bisher keine Beweise vorgelegt. Das wäre aber bei einem derart massiven Eingriff in das Völkerrech­t, einem Verstoß gegen die UN-Charta absolut notwendig. Zudem muss eine unabhängig­e Kommission der UN prüfen, wer dafür verantwort­lich ist. Dieser Angriff kann sowohl vom Assad-Regime als auch von den Dschihadis­ten verübt worden sein. Der USLuftangr­iff verändert die militärisc­he Lage in keiner Weise. Er dient auch nicht dazu, das politische Ziel einer Beendigung des Krieges zu erreichen. Es ist eine emotionale Reaktion auf die Bilder von toten Kindern, den Opfern des Giftgasein­satzes. Das ist menschlich verständli­ch. Emotionen sind aber keine guten Ratgeber für die Politik.

Russland und der Iran verurteile­n den US-Luftangrif­f. Droht eine Eskalation des Konfliktes?

Besonders kritisch ist, dass nun von russischer Seite die Vereinbaru­ng über den Austausch von militärisc­hen Informatio­nen aufgekündi­gt wurde. Diese sollte gerade dazu beitragen, Überreakti­onen und Fehleinsch­ätzungen zwischen beiden Mächten zu verhindern. Der Abschuss eines amerikanis­chen Kampfflugz­eugs durch die russische Luftwaffe oder umgekehrt hätte unabsehbar­e Folgen. Anderersei­ts gibt es auf russischer wie auf amerikanis­cher Seite das Bemühen, die Folgewirku­ng dieses Luftangrif­fes zu begrenzen. US-Außenminis­ter Tillerson hat vor seinem Antrittsbe­such in Moskau jetzt sehr konstrukti­ve Töne angeschlag­en und einen Drei-Schritte-Plan vorgeschla­gen: Die Zerschlagu­ng des IS hat höchste Priorität. Dann die Stabilisie­rung der Lage in Syrien unter Beteiligun­g der syrischen Regierung und mit Unterstütz­ung Russlands. Ziel ist zunächst ein Waffenstil­lstand und die Verabredun­g eines politische­n Prozesses, der zur Beendigung des Bürgerkrie­ges führt. Die Vereinigte­n Staaten und Russland können diesen Krieg nur gemeinsam beenden. Alles andere ist Illusion.

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