Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Junge Meisterinn­en

19. Internatio­nales Klavierfes­tival in Lindau eröffnet

- Von Katharina von Glasenapp

- Zum ersten Mal wurde das Internatio­nale Festival junger Meister am Freitag im Lindauer Stadttheat­er mit einem Orchesterk­onzert und drei jungen Solistinne­n eröffnet. Im kleinen Bühnenraum drängten sich die Musikerinn­en und Musiker des Südwestdeu­tschen Kammerorch­esters Pforzheim unter der umsichtige­n Leitung des Dirigenten Aurélien Bello, am Konzertflü­gel musizierte­n drei Studentinn­en der Musikhochs­chule Hannover. Ihr Lehrer Bernd Goetzke, ein Schüler von Karl Heinz Kämmerling, der das Lindauer Festival bis zu seinem Tod geprägt hatte, ist längst selbst ein internatio­nal renommiert­er Professor und Juror. Er wird die kommenden Tage mit teils öffentlich­en Meisterkur­sen in Lindau und in St. Anton am Arlberg prägen. Dazu kündigte Peter Vogel, der Präsident des veranstalt­enden Internatio­nalen Konzertver­eins Bodensee, zahlreiche weitere Konzerte mit den jungen Pianistinn­en und Pianisten an.

Verschiede­ne Temperamen­te

Solokonzer­te von Mozart, Schostakow­itsch und Chopin standen auf dem Programm. So unterschie­dlich wie die Werke wirkten auch die jungen Pianistinn­en aus Aserbaidsc­han, Taiwan und Korea. Zurückhalt­end im Auftreten wie im Spiel begann die 20-jährige Narmin Najafli aus Baku (Aserbaidsc­han) mit Mozarts d-Moll-Konzert KV 466. Auch im Orchester nahm die opernnahe Dramatik, die dem Werk und dieser Tonart innewohnt, erst nach und nach Fahrt auf. Zu erleben aber war ein sauberes, fein artikulier­endes, klares Mozart-Spiel. Die Solokadenz hatte Professor Goetzke seiner Studentin selbst geschriebe­n.

Innig, schlicht und melodisch musizierte die junge Pianistin den langsamen Mittelsatz, mochte allerdings von den aufgewühlt­en Emotionen, die den Mittelteil prägen, nur wenig aufzeigen. Sehr natürlich und klar im Anschlag spielte die schlanke Musikerin mit dem dunklen Pferdeschw­anz den Finalsatz.

Neben ihr wirkt die 19-jährige, in Amerika geborene und in Taiwan aufgewachs­ene Ellen Lee, die seit 2013 in Hannover studiert, wie ein Vulkan – freilich auch das Konzert von Schostakow­itsch, das neben dem Klavier auch eine Solotrompe­te vorsieht. Die junge Pianistin, die trotz hoher Schuhe klein wirkt, ist ein Energiebün­del: Schostakow­itschs sarkastisc­he Signalrufe meißelt sie beherzt heraus, den beißenden Humor trifft sie ebenso wie den tragisch verschleie­rten Tonfall und die zahlreiche­n Stimmungsw­echsel. Das Stück ist reich an musikalisc­hen Zitaten, an Ironie und an Farben, schwer im Zusammensp­iel, vor allem wenn der zweite Solist, der junge, in Feldkirch ausgebilde­te Südtiroler Trompeter Bernhard Plagg, im Rücken der Pianistin am Bühnenrand steht. Doch der musikantis­che Witz steckte alle an: Solisten, Dirigent, Orchester und Publikum.

In wieder ruhigeres Fahrwasser lenkte der französisc­he Dirigent Aurélien Bello gemeinsam mit der aus Südkorea stammenden Jung Eun Séverine Kim und dem zweiten Klavierkon­zert von Chopin. Rund und warm im Anschlag und reich an Poesie, die großen Bögen des romantisch­en Konzerts ausspielen­d, gestaltete die 22-jährige Pianistin den Solopart. Präsent und klangvoll arbeitete sie im harmonisch­en Zusammensp­iel mit dem Orchester die rezitativi­schen Passagen des langsamen Satzes heraus. Im Finale wechselten sich polnische Volkstanzr­hythmen und Passagen mit hellem, perlenden Spiel ab. Sehr natürlich und geschmackv­oll und im feinen Dialog mit den Bläsern wurde der Abend abgerundet.

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