Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Junge Meisterinnen
19. Internationales Klavierfestival in Lindau eröffnet
- Zum ersten Mal wurde das Internationale Festival junger Meister am Freitag im Lindauer Stadttheater mit einem Orchesterkonzert und drei jungen Solistinnen eröffnet. Im kleinen Bühnenraum drängten sich die Musikerinnen und Musiker des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim unter der umsichtigen Leitung des Dirigenten Aurélien Bello, am Konzertflügel musizierten drei Studentinnen der Musikhochschule Hannover. Ihr Lehrer Bernd Goetzke, ein Schüler von Karl Heinz Kämmerling, der das Lindauer Festival bis zu seinem Tod geprägt hatte, ist längst selbst ein international renommierter Professor und Juror. Er wird die kommenden Tage mit teils öffentlichen Meisterkursen in Lindau und in St. Anton am Arlberg prägen. Dazu kündigte Peter Vogel, der Präsident des veranstaltenden Internationalen Konzertvereins Bodensee, zahlreiche weitere Konzerte mit den jungen Pianistinnen und Pianisten an.
Verschiedene Temperamente
Solokonzerte von Mozart, Schostakowitsch und Chopin standen auf dem Programm. So unterschiedlich wie die Werke wirkten auch die jungen Pianistinnen aus Aserbaidschan, Taiwan und Korea. Zurückhaltend im Auftreten wie im Spiel begann die 20-jährige Narmin Najafli aus Baku (Aserbaidschan) mit Mozarts d-Moll-Konzert KV 466. Auch im Orchester nahm die opernnahe Dramatik, die dem Werk und dieser Tonart innewohnt, erst nach und nach Fahrt auf. Zu erleben aber war ein sauberes, fein artikulierendes, klares Mozart-Spiel. Die Solokadenz hatte Professor Goetzke seiner Studentin selbst geschrieben.
Innig, schlicht und melodisch musizierte die junge Pianistin den langsamen Mittelsatz, mochte allerdings von den aufgewühlten Emotionen, die den Mittelteil prägen, nur wenig aufzeigen. Sehr natürlich und klar im Anschlag spielte die schlanke Musikerin mit dem dunklen Pferdeschwanz den Finalsatz.
Neben ihr wirkt die 19-jährige, in Amerika geborene und in Taiwan aufgewachsene Ellen Lee, die seit 2013 in Hannover studiert, wie ein Vulkan – freilich auch das Konzert von Schostakowitsch, das neben dem Klavier auch eine Solotrompete vorsieht. Die junge Pianistin, die trotz hoher Schuhe klein wirkt, ist ein Energiebündel: Schostakowitschs sarkastische Signalrufe meißelt sie beherzt heraus, den beißenden Humor trifft sie ebenso wie den tragisch verschleierten Tonfall und die zahlreichen Stimmungswechsel. Das Stück ist reich an musikalischen Zitaten, an Ironie und an Farben, schwer im Zusammenspiel, vor allem wenn der zweite Solist, der junge, in Feldkirch ausgebildete Südtiroler Trompeter Bernhard Plagg, im Rücken der Pianistin am Bühnenrand steht. Doch der musikantische Witz steckte alle an: Solisten, Dirigent, Orchester und Publikum.
In wieder ruhigeres Fahrwasser lenkte der französische Dirigent Aurélien Bello gemeinsam mit der aus Südkorea stammenden Jung Eun Séverine Kim und dem zweiten Klavierkonzert von Chopin. Rund und warm im Anschlag und reich an Poesie, die großen Bögen des romantischen Konzerts ausspielend, gestaltete die 22-jährige Pianistin den Solopart. Präsent und klangvoll arbeitete sie im harmonischen Zusammenspiel mit dem Orchester die rezitativischen Passagen des langsamen Satzes heraus. Im Finale wechselten sich polnische Volkstanzrhythmen und Passagen mit hellem, perlenden Spiel ab. Sehr natürlich und geschmackvoll und im feinen Dialog mit den Bläsern wurde der Abend abgerundet.