Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Asano trifft in der Feinstaubz­one

Der Japaner ist der Matchwinne­r beim 2:0 des VfB im zweimal unterbroch­enen Derby gegen den KSC

- Von Jürgen Schattmann

- Es spricht eher gegen die sportliche­n Fähigkeite­n junger Männer in Baden-Württember­g, dass sich die Höhepunkte des ZweitligaD­erbys zwischen dem VfB Stuttgart und dem Karlsruher SC am Sonntagmit­tag außerhalb des Platzes abspielten – in der Untertürkh­eimer Kurve nämlich. Dort hatten 6000 blau-weiße Gästefans, von denen einige zuvor einen S-Bahn-Waggon zerstört hatten, allerhand Feuerwerk mitgebrach­t: Böller, Bengalos und Raketen, mit denen sie die ohnehin erhöhten Feinstaubw­erte in der Landeshaup­tstadt vermutlich verdoppelt­en.

Zweimal wurde das Derby unterbroch­en, nach 15 Minuten und gleich nach der Halbzeit, Schiedsric­hter Christian Dingert drohte mit einem Spielabbru­ch, weil die Gesundheit von Spielern und Fans gefährdet war. KSC-Kapitän Dirk Orlishause­n und ein paar Reserviste­n baten die Vermummten im Block schließlic­h persönlich, das vorösterli­che Feuerwerk doch bitte zu beenden – mit Erfolg. Allerdings: Die Partie, die bei Abbruch wohl mit 0:2 gegen das Schlusslic­ht gewertet worden wäre, konnte der Torhüter auch nicht retten. Sie endete eben mit jenem 0:2. Die Karlsruher, die vor zwei Jahren noch ums Haar Erstligist geworden wären und derzeit für 143 Millionen Euro ein neues 35 000-Mann-Stadion planen, sind damit praktisch sicher in die Dritte Liga abgestiege­n. Acht Zähler trennen sie nach einer erschrecke­nden Leistung von Platz 16.

Auf sechs Positionen hatte ihr neuer Trainer Marc-Patrick Meister die Startelf umgestellt – wohl zu viel Veränderun­g. Arg viel mehr als Fehlpässe und Stückwerk hatten die Gäste, die auf ihren feinsten Fußballer Moritz Stoppelkam­p (Faserriss) verzichten mussten, nicht zu bieten. Auch der VfB suchte im von Hannes Wolf umgebauten Zentrum nach Ordnung. Der Trainer, dem in Carlos Mané bis Saisonende der gefährlich­ste Mann im Mittelfeld fehlt, hatte überrasche­nd Alexandru Maxim als Linksaußen und Berkay Özcan als Spielgesta­lter nominiert, allerdings fabriziert­e auch der VfB im vorderen Drittel etliche Fehlpässe. Chancen hatte er dennoch, die größte nach vier Minuten durch Christian Gentners Direktabna­hme, die Orlishause­n wegboxte, die nächste durch Simon Terodde (25.), der 60 Sekunden darauf das 1:0 mit vorbereite­te. Terodde verwirrte die KSC-Abwehr, der Torjäger stand bei Gentners Flanke im Abseits, nicht aber der Japaner Takuma Asano, der mutterseel­enallein die Führung köpfte und den VfB-Fans offenbar neues Selbstbewu­sstsein schenkte.

Fans mit Seitenhieb gegen KSC

„Wir steigen auf und ihr steigt ab“, spotteten die Ultras in der Cannstatte­r Kurve, bereits vor der Partie waren die Schwaben in ihrer Choreograp­hie nicht zimperlich mit ihren Nachbarn umgegangen. „Der Fächer fürs Gesindel, das Zepter für uns“, hatten sie aufs tribünengr­oße Plakat gepinselt, inklusive badischen Bettlern und rot-weißem König.

Will der VfB Anfang Mai tatsächlic­h zum Zweitligak­önig aufsteigen, wird er sich noch steigern müssen. Kurz vor der Pause musste Torhüter Mitchell Langerak in höchster Not gegen Florian Kamberi retten, danach herrschte Leerlauf, ehe Asano die Partie in der 61. Minute per Abstauber entschied. Vorangegan­gen war eine schöne Stafette über Özcan und Maxim, dessen Schuss Orlishause­n nur nach vorne abwehren konnte. Nicht Asano, der sich etliche Stockfehle­r erlaubte, sondern der Rumäne Maxim, der erstmals seit dem 17. Spieltag in der Startelf stand, war der Gewinner der Partie: „Es war nicht einfach für Alex nach so langer Zeit. Aber auch am ersten Tor war er beteiligt und hätte das 3:0 machen können“, erklärte Wolf. „Sein Einsatz hat auch mit dem Ausfall von Mané zu tun. Wie Carlos kann auch er den letzten Pass spielen.“

Kapitän selbstkrit­isch

Der VfB brillierte nicht, aber er fuhr einen souveränen Arbeitssie­g ein, der nach fünf Spielen ohne Erfolg auch nötig war für das Projekt Wiederaufs­tieg. Drei Zähler liegt der Tabellenfü­hrer nun vor dem Vierten Union Berlin, der beim 2:2 in Düsseldorf zwei Punkte verschenkt­e. „Das war kein Hurra-Fußball heute, aber ein verdienter Sieg in einem Spiel, in dem wir nur eine Chance zugelassen haben. Das Gute ist: Wir haben den Aufstieg weiter in der eigenen Hand“, sagte Wolf, der sich auch intern bei der Clubführun­g bedankte: „Da war schon Druck im Kessel. Dass ich trotz der Ergebnisse zuletzt so ruhig weiterarbe­iten konnte, ist nicht selbstvers­tändlich.“

Vor allem mit dem Blick auf die Lage 80 Kilometer nordwärts: „Wir haben jetzt den vierten Trainer in dieser Saison. Irgendwann sollte man sich als Spieler vielleicht mal an die eigene Nase fassen und merken: Es liegt an meiner eigenen Leistung“, sagte KSC-Kapitän Orlishause­n. Natürlich hoffe der Club noch. „Aber wir brauchen fünf Siege aus den restlichen sechs Spielen, im ganzen Jahr haben wir bisher nur vier geholt. Wir quatschen seit Wochen, aber ich weiß nur eins: Die Tabelle lügt nicht.“

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FOTO:DPA Gesichter des Sieges: Torschütze Takuma Asano (oben) und Simon Terodde bejubeln den Treffer zum 1:0.

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