Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Wettlauf um den richtigen Schuh
Adidas vs. Puma: Die ARD erzählt die Geschichte der Brüder Adi und Rudi Dassler
wei Brüder, die demselben Traum folgen, zusammen eine erfolgreiche Firma aufbauen – bis der Bruch kommt und sie bis zu ihrem Tod kein Wort mehr miteinander reden. Das ist die Geschichte der Gebrüder Dassler, aus deren Schuhfabrik später die Weltkonzerne Adidas und Puma entstanden sind. Schon im vergangenen Jahr brachte RTL einen Film über Adi und Rudi Dassler ins Fernsehen. Nun also die ARD, deren Zweiteiler am Karfreitag startet, temporeich und detailgetreu, dabei aber auch konventionell und die dramatischen Momente nicht ausschöpfend.
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn sich zwei Sender zeitgleich an die Verfilmung eines Stoffes machen, der trotz seiner Relevanz für Deutschlands Wirtschaft Jahrzehnte vor sich hin moderte. Rein zeitlich betrachtet ging RTL mit „Das Duell der Brüder“, das ebenfalls am Karfreitag gesendet wurde, vor einem Jahr, als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Das beherrschende Thema im Leben der Dassler-Brüder, der Wettbewerb, das ständige Messen am anderen, hat sich auf die beiden Verfilmungen übertragen. Beflügelt hat es sie indes nicht.
Jedem Sportler seinen Schuh
Der erste Teil des ARD-Zweiteilers „Die Dasslers – Pioniere, Brüder und Rivalen“unterscheidet sich nur unwesentlich vom RTL-Vorgänger. In Sepia-Licht getauchte Szenen aus der Waschküche der Schuhmacherfamilie Dassler im fränkischen Herzogenaurach gleichen sich: Adolf Dassler, Adi genannt, werkelt wie besessen an seinen ersten Sportschuhen, belächelt von allen – außer von seinem älteren Bruder Rudolf. Der wittert das große Geschäft, packt die Schuhe in sein Auto und tingelt von Sportplatz zu Sportplatz. Als Marketing-Genie würde man ihn heute bezeichnen. In den 1920er-Jahren wurde er als Schwätzer belächelt. Doch die Dassler-Brüder ließen sich nicht beirren, glaubten an die Idee, dass Sportler eben auch Sportschuhe brauchen – und nicht an Bergstiefel erinnernde Klötze an den Füßen.
Cyrill Boss, in Weingarten geboren, und Philipp Stennert arbeiten seit 16 Jahren als Regieduo zusammen. Zu ihren gemeinsamen Filmen gehören die Edgar-Wallace-Parodie „Neues vom Wixxer“(2007) und die Actionkomödie „Jerry Cotton“(2010). Das Populäre ist ihnen also nicht fremd. Und so garantiert auch das Tempo, das sie bei „Die Dasslers“vorlegen, einen zügigen Erzählfluss. Es geht Schlag auf Schlag: Rudi (Hanno Koffler) lernt seine Friedl (Hanna Herzsprung) kennen, wenige Filmminuten später steht er auch schon vor dem Traualtar. Adi (Christian Friedel) heiratet die selbstbewusste Käthe (Alina Levshin), die sich nicht auf die Rolle der Frau an der Seite des stillen, introvertierten Tüftlers reduzieren lassen will. Sie mischt kräftig im Firmengeschehen mit.
Es folgen die Szenen, die man aus dem RTL-Film kennt: Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin statten die Dasslers das amerikanische Laufwunder Jesse Owens mit ihren Schuhen aus. Vier Goldmedaillen für den schwarzen Sportler stoßen den Nationalsozialisten mächtig auf. Nur ihre NSDAP-Parteizugehörigkeit seit 1933 rettet die Brüder wohl vor dem Zorn der Oberen.
Die Produktion von Waffen ab 1939 in den Fabrikhallen in Herzogenaurach wird erwähnt, ebenso die Einberufung Rudis, während Adi aus unerfindlichen Gründen verschont bleibt. Das daraus resultierende Misstrauen ist wohl einer der wichtigsten Gründe für die spätere Aufspaltung. Alles da, nichts wurde vergessen. Und würde nicht Christian Fiedel als ungelenker Adi besser an die Werkbank passen als der gutaussehende, geschmeidige Ken Duken in der RTL-Version – man könnte manche Szenen nahezu austauschen.
Erst der zweite Teil von „Die Dasslers“bietet einen Mehrwert. Denn die Erzählung endet nicht mit der Fußball-WM von 1954 und dem Jubel um die Gewinnerschuhe von Adidas. Ein Verdienst der beiden Regisseure Boss und Stennert, die auch das Drehbuch verfasst haben, ist, dass sie den Wandel vom Amateurzum Profisport zeigen – mit allen negativen Folgen. Wenn zum Beispiel Schuhkartons mit Geldscheinen in Kabinen verteilt werden. Oder wenn ein Trainer Sepp Herberger 1000 Mark dafür verlangt, dass er PumaSchuhe an seine Jungs verteilt – und mit diesem Ansinnen beim überheblichen Rudi Dassler auf taube Ohren stößt. Ein nicht wieder gutzumachender Fehler für seine Firma Puma, wie sich herausstellen soll.
Blick fürs Ganze geht verloren
Doch so interessant dieser Einblick in Deutschlands Wirtschaftsgeschichte auch ist. Im Bemühen, jedes überlieferte Detail unterzubringen, geht den beiden Regisseuren öfters der Blick fürs Ganze verloren. Und das Gespür für Dramatik. Da ist zum Beispiel der Moment, als die Brüder 1948 ihrer Belegschaft in der Produktionshalle verkünden, dass sie sich entscheiden müssen, für wen sie künftig arbeiten wollen: Adi oder Rudi.
Diesen historischen Augenblick, der heute noch nachwirkt in Herzogenaurach, verschenken die beiden, gehen mit Nonchalance darüber hinweg. Es fehlen die Dialoge, die dem Zuschauer Einblick gewähren in das Innenleben der Protagonisten, wo bedeutungsschwangere Blicke und Gesten nicht ausreichen. Auch wenn diese Dialoge nicht überliefert sind: Kunst muss interpretieren und zuspitzen, damit aus einem Film mehr wird als eine Nacherzählung historischer Fakten. Karfreitag und Karsamstag, ARD, jeweils 20.15 Uhr.