Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Biologe stört angeblich Milane bei der Brut

Anzeige gegen Gutachter, der für die EnBW Kettenacke­r Windpark-Gelände untersucht

- Von Ignaz Stösser

- In Kettenacke­r gibt es neuen Ärger wegen des geplanten Windparks. Der Ortschafts­rat Helmut Rollmann hat den Leiter der Kartierung­sarbeiten Thomas Klingseis angezeigt. Der Biologe beobachtet derzeit im Auftrag des Energiever­sorgers EnBW, ob der Rotmilan in dem Bereich des geplanten Windparks nistet. Ausgerechn­et er soll nun am Sonntag gemeinsam mit zwei Frauen brütende Vögel von ihren Nestern verscheuch­t haben. Weil das ein Verstoß gegen das Bundesnatu­rschutzges­etz wäre, ermittelt jetzt das Polizeiprä­sidium Konstanz.

Was ist geschehen? Helmut Rollmann erholt sich derzeit von einer Knieoperat­ion und geht täglich spazieren. Am Sonntag war er mit seiner Frau in der Nähe des Waldes unterwegs, in dem die Windräder gebaut werden sollen. So gegen 15 Uhr hörten die beiden immer wieder undefinier­bare Schreie aus dem Wald tönen. Weil er dachte, da rufe vielleicht jemand um Hilfe, ging Rollmann in den Wald, um nachzusehe­n, wer da schreit. In einem Bereich, wo zwei Rotmilanpä­rchen ihre Nester bebrüten, sah er zwei Frauen und einen Mann, die sich auffallend verhielten.

Abends kommen die Bedenken

Rollmann erkannte angeblich den Leiter der Kartierung­sarbeiten Klingseis und dachte sich zunächst nichts Besonderes dabei, weil er annahm, der Biologe werde schon wissen, was er tue. Ihm fiel allerdings auch auf, dass sich Klingseis abwendete, als er Rollmann entdeckte, genauso als ob er nicht erkannt werden wollte. „Das alles hat mir erst später zu denken gegeben“, sagte Rollmann im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Abends rief er die Sprecherin des Vereins für Mensch und Natur, Birgit Steinhart, an. Ihr schwante Böses, und sie setzte sich in Verbindung mit der bundesweit bekannten Milanexper­tin Dr. Marion Gschweng. „Sie war entsetzt“, berichtete Birgit Steinhart. Das Bundesnatu­rschutzges­etz verbietet es, geschützte Vögel während der Brutzeit zu stören. Sie riet den Kettenacke­rn, den Kartierung­sleiter anzuzeigen. Marion Gschweng erstellt im Auftrag der Windparkge­gner derzeit ebenfalls ein Gutachten über das Milanverha­lten in Kettenacke­r.

Helmut Rollmann erstattete am Montag dann in Sigmaringe­n Anzeige gegen Klingseis. Der Polizeispr­echer Thomas Straub vom Polizeiprä­sidium Konstanz bestätigte gegenüber der SZ, dass die Anzeige eingegange­n ist. Der Vorwurf werde von Kollegen aus dem Präsidium überprüft, in den kommenden Tagen würden alle Betroffene­n befragt, sagte er.

Nicht im Wald, sondern im Ballett

Der Beschuldig­te blieb beim Anruf der SZ gelassen. Er habe von der Anzeige gehört, sagte Klingseis. Er wolle auch nicht ausschließ­en, dass da was vorgefalle­n sei, aber er selbst sei am Sonntag definitiv nicht im Gelände gewesen. „Ich war mit meiner Familie im Tokio-Ballett in Stuttgart und habe dafür eine Menge Zeugen“, sagte er lachend. Die Tickets seien auch noch da.

Thomas Klingseis räumt ein, dass solch ein Vorfall eine „massive Störung“für die jetzt brütenden Vögel bedeuten würde. Wenn Rotmilane von ihren Nestern verscheuch­t werden und die Eier auskühlen, ist die Brut für dieses Jahr verloren. Die Vögel geben das Nest auf. Zu seinen bisherigen Beobachtun­gen als Kartierer sagte Klingseis, dass er einen Horst im 1000-Meter-Bereich der geplanten Windräder entdeckt habe und dass ein weiteres Paar hier noch balze. Und der Biologe betont: „Ich bin offizielle­r Kartierer und fühle mich der wissenscha­ftlichen Seite verpflicht­et.“

Der Pressespre­cher der EnBW Ulrich Stark bezeichnet die Vorwürfe aus Kettenacke­r als Unverschäm­theit. Er könne sich nur noch wundern über das Vorgehen der Kettenacke­r Windparkge­gner.

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FOTO: PRIVAT Ein Bild mit Seltenheit­swert aus dem Kettenacke­r Wald: Man sieht zwischen den Bäumen einen Flügel des Rotmilans, der gerade sein Nest verlässt. Der typische weiße Streifen an der Unterseite des Flügels ist zu erkennen.

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