Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
In der Warteschleife
5000 Lehrer in Baden-Württemberg werden bis 2023 weiterqualifiziert – nicht in Weingarten
- Wie ändert sich die Laufbahn eines Hauptschul- oder Werkrealschul-Lehrers, wenn es dessen Schulform nicht mehr gibt? Darum geht es im Konzept zur Weiterqualifizierung der Lehrer, das das baden-württembergische Kultusministerium entwickelt hat. Astrid Beckmann, Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Pädagogischen Hochschulen –, von denen es auch eine in Weingarten gibt – begrüßt dieses Konzept und zeigt sich zugleich überrascht: Sie sieht die Pädagogischen Hochschulen im Land abgehängt und zweifelt die Qualität der Weiterbildungsmaßnahme an.
Weshalb? „Die Pädagogischen Hochschulen und Universitäten sind bisher nicht in die Weiterqualifizierungsmaßnahme der Landesregierung für die Haupt- und Werkrealschullehrkräfte eingebunden, die bereits an Real- oder Gemeinschaftsschulen eingesetzt sind oder dort unterrichten sollen“, sagt die Rektorin der PH Schwäbisch Gmünd.
Ihr Kritikpunkt: Die Landesregierung „verzichtet bei dieser Maßnahme komplett auf die forschungsorientierte fachwissenschaftliche und fachdidaktische Expertise der Pädagogischen Hochschulen und Universitäten“. Nicht zuletzt die Ergebnisse der viel diskutierten Studie des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen hätten gezeigt, „dass in Baden-Württemberg ein Veränderungsbedarf im Bereich Lehrerfortund -weiterbildung besteht“, so Beckmann. Ihre Forderung lautet daher: „Die PH-Weiterbildungsangebote sollten deshalb nun endlich in der Landesstruktur verankert werden.“
Konzept nicht berücksichtigt
Der Hintergrund: Wenn immer weniger Schüler in Baden-Württemberg die Haupt- und Werkrealschulen besuchen, hat das auch Folgen für die Lehrer – insbesondere für ihren Arbeitsort. Sinken die Schülerzahlen an Haupt- und Werkrealschulen, werden dort auch weniger Lehrer benötigt. Schon jetzt unterrichten daher viele Pädagogen an Realschulen, Gemeinschaftsschulen oder sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) – auch wenn dies gar nicht ihrer ursprünglichen Ausbildung entspricht und sie dafür eine weitere Qualifikation bräuchten.
Weil sich die Schullandschaft verändert, möchte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Haupt- und Werkrealschullehrern „Perspektiven für eine Beschäftigung in weiteren Schularten eröffnen“. Daher hat kürzlich das badenwürttembergische Kultusministerium ein Konzept zur Weiterqualifizierung der Lehrer entwickelt, das der Ministerrat beschlossen hat. Die Landesrektorenkonferenz der Pädagogischen Hochschulen hat zwar in Vorgesprächen mit dem Kultusministerium ein Qualifizierungskonzept erarbeitet – das nun jedoch nicht berücksichtigt worden ist.
Beckmanns Nachfolger als Vorsitzender der PH-Landesrektorenkonferenz ist ab April Werner Knapp, der Rektor der Pädagogischen Hochschule (PH) Weingarten. Wie beurteilt er die Entwicklung? „Bis 2011 dauerte die Ausbildung zum Hauptoder Werkrealschullehrer im Rahmen des Studiums für die Grundund Hauptschule sechs Semester, diejenige der Realschullehrer dagegen sieben Semester. Der Unterschied der Ausbildung bestand also in einem Semester Studium an der Pädagogischen Hochschule“, erklärt Knapp und meint: „Es wäre schlüssig, diese Qualifizierungsmaßnahme an der PH anzubieten.“Das baden-württembergische Kultusministerium sieht die Pädagogischen Hochschulen allerdings nur zum Teil involviert: Voraussichtlich ab dem Wintersemester 2018/19 soll für rund 400 Lehrer, die bislang noch an Haupt- und Werkrealschulen eingesetzt sind, jedoch perspektivisch an ein sonderpädagogisches Bildungsund Beratungszentrum wechseln werden, ein zweijähriges Aufbaustudium angeboten werden. „Dies betrifft dann auch die Pädagogischen Hochschulen“, sagt Christine Sattler, Pressesprecherin am Kultusministerium. Welche Rolle spielt die Entscheidung der Landesregierung also für die PH Weingarten? Zunächst, so PH-Rektor Knapp, bedeute sie „nichts, weil die PH Weingarten nicht beteiligt ist“. Zwar sei korrelierend mit den sinkenden Schülerzahlen an Haupt- und Werkrealschulen in den vergangen Jahren auch die Zahl der Lehramtsstudenten in diesem Bereich etwas zurückgegangen. Doch dies steuere das Wissenschaftsministerium.
Bereits seit dem Wintersemester 2015/16 wird an der PH Weingarten die Ausbildung auf das BachelorMaster-System umgestellt. „Der seit-herige Studiengang mit dem Abschluss Staatsexamen wird aufgehoben. Diese Umstellung hängt tatsächlich mit veränderten Anforderungen zusammen, wobei insgesamt die Qualität der Lehramtsausbildung gestärkt werden soll“, sagt Knapp.
Wie viele Lehrer aus Oberschwaben von der Weiterqualifizierung betroffen sein werden, konnte auch das Kultusministerium auf Anfrage dieser Zeitung nicht beantworten. Weitere Details der Maßnahme müssten zunächst noch geklärt werden. Rund in BadenWürttemberg werden schrittweise in den kommenden Jahren weiterqualifiziert. Für diese Qualifizierung rechnet das Land in den Jahren 2017 bis 2023 mit Kosten von 38 Millionen Euro.