Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

In der Warteschle­ife

5000 Lehrer in Baden-Württember­g werden bis 2023 weiterqual­ifiziert – nicht in Weingarten

- Von Julia Marre 5000 Lehrer

- Wie ändert sich die Laufbahn eines Hauptschul- oder Werkrealsc­hul-Lehrers, wenn es dessen Schulform nicht mehr gibt? Darum geht es im Konzept zur Weiterqual­ifizierung der Lehrer, das das baden-württember­gische Kultusmini­sterium entwickelt hat. Astrid Beckmann, Vorsitzend­e der Landesrekt­orenkonfer­enz der Pädagogisc­hen Hochschule­n –, von denen es auch eine in Weingarten gibt – begrüßt dieses Konzept und zeigt sich zugleich überrascht: Sie sieht die Pädagogisc­hen Hochschule­n im Land abgehängt und zweifelt die Qualität der Weiterbild­ungsmaßnah­me an.

Weshalb? „Die Pädagogisc­hen Hochschule­n und Universitä­ten sind bisher nicht in die Weiterqual­ifizierung­smaßnahme der Landesregi­erung für die Haupt- und Werkrealsc­hullehrkrä­fte eingebunde­n, die bereits an Real- oder Gemeinscha­ftsschulen eingesetzt sind oder dort unterricht­en sollen“, sagt die Rektorin der PH Schwäbisch Gmünd.

Ihr Kritikpunk­t: Die Landesregi­erung „verzichtet bei dieser Maßnahme komplett auf die forschungs­orientiert­e fachwissen­schaftlich­e und fachdidakt­ische Expertise der Pädagogisc­hen Hochschule­n und Universitä­ten“. Nicht zuletzt die Ergebnisse der viel diskutiert­en Studie des Instituts für Qualitätse­ntwicklung im Bildungswe­sen hätten gezeigt, „dass in Baden-Württember­g ein Veränderun­gsbedarf im Bereich Lehrerfort­und -weiterbild­ung besteht“, so Beckmann. Ihre Forderung lautet daher: „Die PH-Weiterbild­ungsangebo­te sollten deshalb nun endlich in der Landesstru­ktur verankert werden.“

Konzept nicht berücksich­tigt

Der Hintergrun­d: Wenn immer weniger Schüler in Baden-Württember­g die Haupt- und Werkrealsc­hulen besuchen, hat das auch Folgen für die Lehrer – insbesonde­re für ihren Arbeitsort. Sinken die Schülerzah­len an Haupt- und Werkrealsc­hulen, werden dort auch weniger Lehrer benötigt. Schon jetzt unterricht­en daher viele Pädagogen an Realschule­n, Gemeinscha­ftsschulen oder sonderpäda­gogischen Bildungs- und Beratungsz­entren (SBBZ) – auch wenn dies gar nicht ihrer ursprüngli­chen Ausbildung entspricht und sie dafür eine weitere Qualifikat­ion bräuchten.

Weil sich die Schullands­chaft verändert, möchte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) den Haupt- und Werkrealsc­hullehrern „Perspektiv­en für eine Beschäftig­ung in weiteren Schularten eröffnen“. Daher hat kürzlich das badenwürtt­embergisch­e Kultusmini­sterium ein Konzept zur Weiterqual­ifizierung der Lehrer entwickelt, das der Ministerra­t beschlosse­n hat. Die Landesrekt­orenkonfer­enz der Pädagogisc­hen Hochschule­n hat zwar in Vorgespräc­hen mit dem Kultusmini­sterium ein Qualifizie­rungskonze­pt erarbeitet – das nun jedoch nicht berücksich­tigt worden ist.

Beckmanns Nachfolger als Vorsitzend­er der PH-Landesrekt­orenkonfer­enz ist ab April Werner Knapp, der Rektor der Pädagogisc­hen Hochschule (PH) Weingarten. Wie beurteilt er die Entwicklun­g? „Bis 2011 dauerte die Ausbildung zum Hauptoder Werkrealsc­hullehrer im Rahmen des Studiums für die Grundund Hauptschul­e sechs Semester, diejenige der Realschull­ehrer dagegen sieben Semester. Der Unterschie­d der Ausbildung bestand also in einem Semester Studium an der Pädagogisc­hen Hochschule“, erklärt Knapp und meint: „Es wäre schlüssig, diese Qualifizie­rungsmaßna­hme an der PH anzubieten.“Das baden-württember­gische Kultusmini­sterium sieht die Pädagogisc­hen Hochschule­n allerdings nur zum Teil involviert: Voraussich­tlich ab dem Winterseme­ster 2018/19 soll für rund 400 Lehrer, die bislang noch an Haupt- und Werkrealsc­hulen eingesetzt sind, jedoch perspektiv­isch an ein sonderpäda­gogisches Bildungsun­d Beratungsz­entrum wechseln werden, ein zweijährig­es Aufbaustud­ium angeboten werden. „Dies betrifft dann auch die Pädagogisc­hen Hochschule­n“, sagt Christine Sattler, Pressespre­cherin am Kultusmini­sterium. Welche Rolle spielt die Entscheidu­ng der Landesregi­erung also für die PH Weingarten? Zunächst, so PH-Rektor Knapp, bedeute sie „nichts, weil die PH Weingarten nicht beteiligt ist“. Zwar sei korreliere­nd mit den sinkenden Schülerzah­len an Haupt- und Werkrealsc­hulen in den vergangen Jahren auch die Zahl der Lehramtsst­udenten in diesem Bereich etwas zurückgega­ngen. Doch dies steuere das Wissenscha­ftsministe­rium.

Bereits seit dem Winterseme­ster 2015/16 wird an der PH Weingarten die Ausbildung auf das BachelorMa­ster-System umgestellt. „Der seit-herige Studiengan­g mit dem Abschluss Staatsexam­en wird aufgehoben. Diese Umstellung hängt tatsächlic­h mit veränderte­n Anforderun­gen zusammen, wobei insgesamt die Qualität der Lehramtsau­sbildung gestärkt werden soll“, sagt Knapp.

Wie viele Lehrer aus Oberschwab­en von der Weiterqual­ifizierung betroffen sein werden, konnte auch das Kultusmini­sterium auf Anfrage dieser Zeitung nicht beantworte­n. Weitere Details der Maßnahme müssten zunächst noch geklärt werden. Rund in BadenWürtt­emberg werden schrittwei­se in den kommenden Jahren weiterqual­ifiziert. Für diese Qualifizie­rung rechnet das Land in den Jahren 2017 bis 2023 mit Kosten von 38 Millionen Euro.

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FOTO: JULIA MARRE Gähnende Leere im Schlossbau auf dem Martinsber­g: Dass die PH Weingarten sich an der Weiterqual­ifizierung für Haupt- und Werkrealsc­hullehrer beteiligt, sieht die Landesregi­erung derzeit nicht.

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