Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Father John Misty greift an

Der einstige Fleet-Foxes-Schlagzeug­er ist auf dem Weg vom Kult- zum Superstar

- Von Werner Herpell

(dpa) - Er ist schon äußerlich eine imposante Erscheinun­g, dieser hochgewach­sene, löwenmähni­ge Joshua Michael Tillman alias Father John Misty. Seine Liveshows, in denen er mit dramatisch­er Gestik über die Bühnen tobt, gehören zu den eindrucksv­ollsten im Pop, sie sind Kult. Nun hat der 35-jährige Songwriter eine Platte gemacht, die seinem eigenen hohen Anspruch gerecht wird – als leicht verschrobe­ner Superstar für sensible Intellektu­elle, der seine bittersüße­n Texte in prachtvoll­e Softpop-Melodien verpackt.

Bei einem so klugen US-Künstler scheint klar, dass ein neues Album nicht ohne Politik auskommen kann. Schon das Video zum Titelsong „Pure Comedy“nährte vor einigen Wochen den Verdacht, dass sich Father John Misty am frisch gewählten Präsidente­n Donald Trump abarbeiten will.

Es sei aber eher Zufall gewesen, dass Trumps bedrohlich wirkende Amtseinfüh­rung und die Videoprodu­ktion zusammenfi­elen, sagt der Sänger im Interview der Deutschen Presse-Agentur . Und er betont, nicht zum letzten Mal in dem Gespräch: „Es geht nicht nur um Donald Trump auf diesem Album. Es gibt doch auch sonst keinen Mangel an Idiotie auf unserem Planeten.“

Ja, „Pure Comedy“sei ein Protestalb­um – „aber ich protestier­e eigentlich schon mein ganzes Leben lang“, betont Tillman. „Und das beschränkt sich auch nicht auf Republikan­er oder konservati­ve Christen oder Mittelklas­se-Amerikaner. Ich will auch gar nicht nur mit dem Finger auf andere Leute zeigen.“

Von der Endlichkei­t des Lebens

Mit den 13 teilweise sehr langen, in ihrer Textlastig­keit oft an Bob Dylan erinnernde­n Folkrock-Liedern habe er ein größeres Panorama entwerfen wollen. „Eigentlich geht es darum, wie kurz das Leben ist, wie winzig und hilflos wir Menschen sind. Und es geht um die Liebe, die wir gern nur als romantisch­e Sache betrachten – dabei ist sie im wahrsten Sinne entscheide­nd für unser Überleben. Wir müssen mehr aufeinande­r aufpassen.“

Father John Misty hat dafür einige sehr bewegende, persönlich­e Worte gefunden, etwa im grandiosen Opener („Am Ende haben wir nur uns selbst“) oder in der Ballade „In Twenty Years Or So“(„Es ist ein Wunder zu leben, wir müssen nichts fürchten“). Dennoch, so vermutet der Ex-Schlagzeug­er der Neo-FolkErfolg­sband Fleet Foxes, werde am Ende wohl alles reduziert auf politische Aspekte. „Es stinkt mir, dass diese Platte jetzt nur als das Anti-Donald-Trump-Album gilt.“

Eigentlich wolle er „den Menschen doch Vergnügen bereiten, sie ermutigen“. Nun bekomme er böse Reaktionen von beiden Seiten. „Die Rechten empfinden das Album als weinerlich­e, linksliber­ale Tirade gegen Religion und ihren Lebensstil. Die Linken sehen darin den selbstgere­chten Mist eines zynischen Schlaumeie­rs.“

Abgesehen von der möglicherw­eise nicht ganz beabsichti­gten Wirkung der Lyrics (man muss da allerdings vorsichtig sein bei Father John Misty, er legt gern falsche Fährten), ist „Pure Comedy“ein Traum von einem Popalbum. Der 1970er-JahreSound eines Elton John, Randy Newman, Neil Young oder Harry Nilsson wurde in den legendären Ocean Way Studios von Los Angeles mit großem Orchester perfekt nachgebaut, unter der Produktion­sregie des Retro-Spezialist­en und TillmanFre­undes Jonathan Wilson.

„Es ging mir um größtmögli­che Klarheit. Daher gibt es auch kaum Leadgitarr­en – kein Rumgenudel also“, sagt Tillman. Das Schöne am Erfolg mit Top-Twenty-Platten wie „I Love You, Honeybear“(2015) sei, „dass ich jetzt das Geld hatte, um Leute zu suchen, die sich meinem Projekt wirklich verschreib­en. Da wurde ein Traum wahr.“

Der Vergleich zu den großen Singer-Songwriter­n der 1970er Jahre macht ihn durchaus stolz, „weil diese Musiker sehr typische Stimmen haben“. Father John Misty selbst gilt schon länger als einer der besten Popsänger seiner Generation, sein warmer, kraftvolle­r Bariton erzeugt auf „Pure Comedy“so oft Gänsehaut wie nie zuvor.

Wäre noch der merkwürdig­e Künstlerna­me zu klären: „Ach, der bedeutet gar nichts“, sagt Tillman, nun ganz entspannt lachend. „David Bowie, Serge Gainsbourg, Bob Dylan, Nina Simone – das sind doch auch alles unechte Namen. Aber meiner ist wenigstens total lächerlich.“Der Mann ist also eigentlich ein Spaßvogel.

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN Father John Misty hat sein neues Album „Pure Comedy“veröffentl­icht.

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