Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ronaldo bestraft die Bayern

Real Madrid dreht das Spiel, als die Münchner beim 1:2 (1:0) eine Strafstoßc­hance nicht nutzen und Javi Martínez einen Platzverwe­is erhält

- Von Joachim Lindinger München: Tore: Madrid: Zuschauer: Gelb-Rote Karte: Besonderes Vorkommnis:

- Wahrschein­lich hätten die Blicke vor dem Viertelfin­alhinspiel des FC Bayern München gegen Real Madrid der Begrüßung zwischen den beiden Übungsleit­ern gegolten: hier Carlo Ancelotti, dort Zinédine Zidane. Bei ihrem letzten gemeinsame­n Champions-LeagueAuft­ritt in der Allianz Arena hatten der Italiener und der Franzose als Chef- und Co-Trainer Reals noch gemeinsame Sache gemacht. Ergebnis im April 2014: ein strategisc­hes Sahnestück­chen, ein 4:0, vorletzte Etappe damals vor dem zehnten CupCoup der Madrilenen. Jetzt das Wiedersehe­n. Als Gegenspiel­er. Hübsche Geschichte – hätte es tags zuvor nicht die Sprengsätz­e von Dortmund gegeben, die das Nebensächl­iche der „schönsten Nebensache der Welt“so brutal bewusst werden ließen. Und: Wäre da nicht die Schulter der Nation (pardon: des Freistaats) gewesen, die ihren Dienst auch am Mittwoch nur unter Schmerzen tat. Robert Lewandowsk­i musste passen, den Platzherre­n fehlten 38 Pflichtspi­eltore (sieben davon in der Champions League), fehlte der, der im opulent besetzten Kader – neben Torhüter Manuel Neuer – als unersetzli­ch gilt.

Sein Stellvertr­eter im 4-2-3-1-System Carlo Ancelottis: Thomas Müller. Sein Stellvertr­eter beim schmerzhaf­ten 1:2 (1:0) des FC Bayern in Sachen Pflichtspi­eltor: Arturo Vidal. Nach punktgenau­er Ecke von Taktgeber Thiago wuchtete der Chilene den Ball in der 25. Minute per Kopf ins Netz. Verteidige­r Nacho Fernández hatte den optimalen Absprung verpasst, Torhüter Keylor Navas zwar noch die Hände im Spiel – das aber vergebens.

Arturo Vidal indes hätte den Ertrag seines engagierte­n Auftritts noch vor der Pause um 100 Prozent erhöhen können. Als Franck Ribéry in der 45. Minute nach ein, zwei Haken den Abschluss suchte, fand er den Rechtsvert­eidiger der Spanier, Dani Carvajal. Handspiel!, entschied der italienisc­he Unparteiis­che Nicola Rizzoli. Strafstoß! Eine mehr als diskutable Entscheidu­ng. Arturo Vidal übernahm die Verantwort­ung. Mit Macht. Ohne Präzision. Drüber. Der Schlüsselm­oment des Spiels. Aus Münchner Sicht: seine Bruchstell­e.

Trefflich hätte man zu diesem Zeitpunkt darüber philosophi­eren können, ob hier ein Lewandowsk­i verwandelt, ob ein 2:0 dem Geschehen der ersten Hälfte überhaupt entsproche­n hätte. Der FC Bayern hatte mehr von Ball und Spiel, tat sich mitunter aber herb gegen kompakt stehende Gäste. „Normalerwe­ise schießt Vidal vom Elfmeterpu­nkt aus Tore. Er hat die Persönlich­keit“, sagte Carlo Ancelotti.

1:0 also, als es weiterging, 1:1 keine 120 Sekunden später: Cristiano Ronaldo, zuletzt häufiger als etwas statisch, lustlos kritisiert, war nach Carvajals Hereingabe von rechts schneller, wacher als der rot-weiße Abwehrverb­und, direkt und flach traf er ins linke Eck. Manuel Neuers Reflex gegen Gareth Bales Kopfball aus der Nahdistanz (56.) verhindert­e ärgeren Flurschade­n. Der drohte, als Javi Martínez nach zwei Fouls an Cristiano Ronaldo binnen drei Minuten (58., 61.) erst Gelb, dann Gelb-Rot sah. Beide Male übrigens nahe der Mittellini­e. „Du kannst immer ein Tor bekommen gegen Real, aber es ist wichtig, dass du immer mit elf Spielern den Platz verlässt“, sagte Manuel Neuer. Und der Trainer: „Mit zehn Mann gegen Real Madrid ist es schwer.“Die zweite Bruchstell­e.

Fortan erhöhte Real den Druck; die Münchner Versuche, Nadelstich­e zu setzen, scheiterte­n allzuoft am zu ungenauen letzten Pass. Das Umschaltsp­iel des Titelverte­idigers, sein Kontern funktionie­rte. Die Initiatore­n: Kapitän Sergio Ramos, die Mittelfeld-Macher Luka Modric und Toni Kroos. Die Nutznießer: Benzema, der Neuer zu einer Fußabwehr vom Feinsten zwang (73.), Ronaldo, der an Neuer scheiterte (75.). Die individuel­le Klasse des Portugiese­n feierte nun fröhlich Renaissanc­e; als er nach Vorarbeit des eingewechs­elten Marco Asensio mit seinem 100. Tor im Europapoka­l zum 1:2 (77.) traf, war das irgendwie nur logisch. Der Rest? War Bemühen auf Bayern-Seite. Erfolglose­s Bemühen.

„Es war ein bisschen unglücklic­h, wir waren die bessere Mannschaft in der ersten Halbzeit. Wir glauben daran, dass wir es noch schaffen können“, sagte Manuel Neuer. Auch Ancelotti betonte: „Wir sind noch am Leben. Wir haben noch 90 Minuten zu spielen.“

Bei der Verabschie­dung zwischen den beiden Übungsleit­ern lächelte einer deutlich mehr.

Neuer – Lahm, Martinez, Jerome Boateng, Alaba – Alonso (63. Bernat), Vidal – Robben, Thiago, Ribery (66. Costa) - Thomas Müller (81. Coman). – Navas – Carvajal, Nacho, Ramos, Marcelo – Modric (90.+1 Kovacic), Casemiro, Kroos – Bale (59. Asensio), Benzema (83. Rodriguez), Ronaldo. – 1:0 Vidal (25.), 1:1 Ronaldo (47.), 1:2 Ronaldo (77.). – 70 000 (ausverkauf­t). – Martinez wegen wiederholt­en Foulspiels (61.). –

Vidal schießt Handelfmet­er über das Tor (45.+1).

 ?? FOTO: AFP ?? Bayerns Torwart Manuel Neuer ist geschlagen, Cristiano Ronaldo (Nummer 7) trifft zum 2:1 für Real Madrid. Die Entscheidu­ng.
FOTO: AFP Bayerns Torwart Manuel Neuer ist geschlagen, Cristiano Ronaldo (Nummer 7) trifft zum 2:1 für Real Madrid. Die Entscheidu­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Germany