Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mariaberg schließt Außenstelle im MVZ
Hausarzt Dr. Martin van Soest hört auf – Bürgermeister verärgert über Informationspolitik
- Der Allgemeinmediziner Dr. Martin van Soest hört zum 30. Juni im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) an der Marktstraße Gammertingen auf. Zu den Gründen wollten sich weder Martin van Soest noch der Träger Mariaberg äußern. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht, heißt es bei Mariaberg, man sei aber mit Nachdruck auf der Suche. Die Außensprechstunde Allgemeinmedizin in der Marktstraße 4, wo auch das MVZ der Reutlinger Kreiskliniken untergebracht ist, wird es nicht mehr geben, der Träger Mariaberg verweist künftig auf das Gesundheitszentrum in der Burghaldenstraße 6. Bürgermeister Holger Jerg wurde von Mariaberg nicht über das Vorhaben informiert und lässt seine ehrenamtliche Tätigkeit im Verwaltungsrat deswegen ruhen.
„Ich bleibe dem Landkreis nicht erhalten“, sagt Martin van Soest der SZ knapp. Wie es für ihn beruflich weitergeht, will er nicht verraten. Seine Frau Bauda van Soest, ebenfalls für Mariaberg als Allgemeinmedizinerin tätig, wird weiterhin ihrer Arbeit nachgehen.
Gammertingens Bürgermeister Holger Jerg ist ganz und gar nicht über die jüngsten Entwicklungen in der Stadt erfreut, erst vor wenigen Tagen hat er von Dritten erfahren, das Martin van Soest aufhört und schließlich, dass Mariaberg die Außenstelle im MVZ aufgeben will. „Dabei hat Mariaberg vor anderthalb Jahren doch viel Geld in die Praxis investiert.“Der Mietvertrag mit den Reutlinger Kreiskliniken, die ein eigenes MVZ im gleichen Gebäude betreiben, sei bereits gekündigt. Das wisse er vom Vermieter. Grund für den Weggang van Soests sind laut Jerg persönliche Gründe, die angeblich im Arbeitsverhältnis zu Mariaberg begründet liegen. Der Arzt wollte dies der SZ gegenüber weder bestätigen noch dementieren, auch Mariaberg beruft sich auf Diskretion bei Personalthemen.
Jerg zweifelt an Ernsthaftigkeit der Suche nach einem Nachfolger
Der Bürgermeister zweifelt an der Ernsthaftigkeit bei der Nachfolgersuche. „Ich habe den Eindruck, dass das Thema für Mariaberg keine Priorität hat.“Auch die Informationspolitik ärgert ihn: „Ich war heillos überrascht. Ich habe deswegen meine ehrenamtlichen Funktionen bei Mariaberg als Mitglied des Verwaltungsrats ruhen lassen.“Er versucht damit Druck auf den Träger auszuüben, bis dieser ihm gegenüber die gesundheitspolitischen Ziele Mariabergs klar formuliert. Das tue er nicht nur für die Gammertinger Patienten – die Hausärzte Kurz und Vlazak haben Aufnahmestopps verhängt – sondern auch als Funktionär, der bemüht sei, dass sich das Unternehmen positiv weiterentwickele. Das Stadtoberhaupt wartet derzeit auf Antworten auf drängende Fragen. Zum Beispiel, ob Mariaberg sein Gesundheitsangebot umstrukturiert und möglicherweise nur noch die Versorgung für Heimbewohner gewährleisten will. Mariaberg-Sprecher Robert Zolling dementiert diese Vermutung gegenüber der SZ: „Wir wollen das bisher bestehende Angebot weiterhin aufrechterhalten“, sagt er auf Nachfrage. Allgemeinmedizinerin Bauda Aletta van Soest stehe den Gammertingern weiterhin zur Verfügung.
Außerdem hat Jerg erfahren, dass die Mariaberger Geschäftsführerin Petra Winter, zuständig für Fachkliniken, darunter auch das MVZ, ihr Amt Ende März niederlegt hat. Mariaberg bestätigte dies, wollte sich aber nicht näher dazu äußern. „Es ist für mich unklar, welche Geschäftsabsichten Mariaberg im medizinischen Bereich hat“, sagt Jerg.
Dr. Martin Soest wird Gammertingen fehlen, da ist sich Jerg sicher. „Wir dachten, die hausärztliche Situation hätte sich stabilisiert, und wir können den Facharztmangel in Angriff nehmen“, so Jerg.
Ex-Gemeinderat Lothar Wasel sieht nun sowohl den Träger Mariaberg als auch die Stadt in der Pflicht, die Nachfolgersuche anzugehen. „Ich habe das Thema Hausarztmangel schon vorgebracht, als es die Vakanz nach Dr. Kähny gab“, sagt Wasel. Damals hätten seine Bedenken bei der Stadtverwaltung kein Gehör gefunden. Er sieht die Stadt in der Pflicht, finanzielle Anreize zu schaffen, damit sich Ärzte dort niederlassen. Die gesundheitspolitische Versorgung sei wichtiger als das „Brimborium um die Stadthalle“, findet Wasel. „In Trochtelfingen und Veringenstadt gibt es Aufnahmestopps. Es wird nun schwierig für die Kassenpatienten aus Gammertingen“, so der ehemalige Gemeinderat.
Neues Ärztehaus auf dem Reiser-Stoll-Areal denkbar
Laut Holger Jerg ist Gammertingen seit einigen Jahren im Hausärzteverband Baden-Württemberg, wo die Stadt ihre Arztsitze bewirbt. Von Prämien hält Jerg aber nichts. „Das hat man in Tuttlingen gesehen: Dort sind die Ärzte trotz Prämie wieder abgewandert.“Für Gammertingen schwebt Jerg eher vor, Medizinern die Niederlassung zu erleichtern. Für das Reiser-Stoll-Areal sei im Bebauungsplan beispielsweise eine Immobilie vorgesehen, die sich gut als Ärztehaus nutzen ließe – die Ärzte sollen dort gute Konditionen erhalten. „Nicht alle wollen in ein MVZ, sondern manche lieber in eine Gemeinschaftspraxis“, so Jerg.
Kai Sonntag von der kassenärztlichen Vereinigung (KV) liegt noch keine Information vor, dass Martin van Soest im MVZ aufhört. Der Mittelbereich Sigmaringen, zu dem Gammertingen gehört, ist laut Sonntag grundsätzlich geöffnet für Ärzte, die sich dort niederlassen wollen. Das heißt, die KV würde sich auch um einen Nachfolger bemühen. Gleichzeitig, so Sonntag, gehöre Gammertingen nicht zum Notstandsgebiet in Sachen Hausarztmangel im Land.