Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Frost schlägt großflächig zu
Womöglich größere Ernteausfälle im Obst- und Weinanbau
- Obstbauern und Winzer müssen eventuell mit einer wesentlich geringeren Ernte rechnen. Nach einer zweiten Frostnacht zeigten sich Vertreter der beiden Branchen am Donnerstag alarmiert. Teilweise gab es in Anbaugebieten Temperaturen von unter minus sieben Grad. Dies könnte zu einem Totalausfall der Ernte führen.
Kathrin Walter, Geschäftsführerin des Landesverbandes Erwerbsobstbau in Stuttgart, weist darauf hin, dass „es in Teilen des Remstales“einen solchen Temperatursturz gegeben habe. In der östlich der Landeshauptstadt gelegenen Region werden Wein, Äpfel und Kirschen angebaut. Die Schadenshöhe ist noch unklar. „In vielleicht drei Wochen kann Konkretes gesagt werden“, meint Walter.
Sie sagt, bei ihr seien aus allen Landesteilen Frostmeldungen eingegangen. Das Problem sei „flächendeckend“. Dies sei bei den Frostschäden im April des vergangenen Jahres noch anders gewesen. Seinerzeit hatte es zum Monatsende auch Frostnächte gegeben. Stark betroffen war der westliche Bodenseeraum. Er gehört zu einem der größten europäischen Anbaugebiete. Dass es damals am östlichen Bodensee besser aussah, war Glück: Im Lindauer Raum standen Wolken am Himmel. Sie hielten Bodenwärme zurück. Weiter westlich war es klar.
Aktuell fanden sich in der Nacht zu Donnerstag nirgends wärmende Wolken. Bei Lindau sanken die Temperaturen in der Früh auf minus zwei bis minus drei Grad. Dies ist der Temperaturbereich, in dem es für Blüten oder die keimende Frucht gefährlich wird. Nun sind solche Temperaturen in der zweiten Aprilhälfte nicht ungewöhnlich. Das Besondere an der Situation liegt woanders: „Die Obstblüte ist wegen des warmen März rund zwei Wochen früher als es eigentlich normal wäre“, erklärt Manfred Büchele, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums ObstbauBodensee in Bavendorf.
Die Kälte hat die Blüte also voll erwischt. „Ich war überrascht, als ich selbst an einer eher geschützten Lage Frostschäden fand“, berichtet Martin Nüberlin, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern. Wie sich die Lage aber insgesamt darstellt, muss auch er nach Telefonaten mit anderen Obstbauern am Bodensee offenlassen: „Sie ist unübersichtlich.“
Kampf gegen die Kälte
Am Vorabend war Nüberlin mit Blick auf den Wetterbericht noch recht zuversichtlich gewesen, dass die Temperaturen nicht so weit absinken. Wie viele seiner Kollegen hatte sich Nüberlin jedoch vorbereitet. Sie deckten Erdbeerfelder ab. In seinen Obstanlagen hatte er Sprinkleranlagen installiert. Als das Thermometer gegen zwei Uhr schließlich minus zwei Grad anzeigte, wurden sie angeschaltet. Das Wasser soll durch eine Eisbildung die Blüte vor zu viel Frost schützen – eine Vorgehensweise, die erfolgversprechend ist, solange die Temperaturen nicht zu tief sind.
Der Obst- und Weinanbau schützt sich mit weiteren Methoden vor Frost. So können Paraffinkerzen aufgestellt werden. Eine davon kostet etwa zehn Euro. Laut Fachleuten sind für einen Hektar Obstanlage über 200 solcher Kerzen nötig. Mitte der Woche war aber in ganz Europa offenbar kein Exemplar mehr im Handel zu bekommen. Weil die Kälte den Kontinent großflächig betrifft, hatten sich viele Obstbauern eingedeckt.
Ein recht teurer Versuch zum Vermeiden von Frostschäden ist der Einsatz von Helikoptern. Die Rotoren wirbeln Luftschichten durcheinander. Sinnvoll kann dies sein, wenn in Bodennähe Frost herrscht, darüber aber warme Luft ist. Am Donnerstag kam es in Weinanbaugebieten bei Heilbronn zu einem solchen Einsatz. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) begleitete ihn öffentlichkeitswirksam. „Wir können die Temperatur um bis zu vier Grad erhöhen“, meinte der Politiker.
Die Hubschrauberaktion schlägt mit 40 000 Euro zu Buche. Die Hälfte zahlen örtliche Winzer. Den Rest übernimmt das Land. Dies ärgert wiederum anderswo die Obstbauern. Sie müssen ihre Frostschutzmaßnahmen selber zahlen.