Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Facebook will das Hirn vernetzen

Internetri­ese forscht an Technologi­e, mit der Menschen Gedanken direkt aus dem Kopf online bringen können

- Von Christoph Dernbach

(dpa) - Katzenbild­er, Statusmeld­ungen, Neuigkeite­n: Wer glaubt, dass Facebook nur ein soziales Netzwerk zum Austausch ist, liegt falsch. Der Internetko­nzern arbeitet auch an futuristis­chen Forschungs­projekten. Für Aufsehen sorgen jetzt die Pläne für eine Technologi­e, mit der Menschen direkt mit dem Gehirn schreiben können sollen. Die Chefin der Forschungs­abteilung, Regina Dugan, stellte das Projekt auf der Entwickler­konferenz F8 vor. „Es klingt unmöglich, aber es ist näher, als es Ihnen bewusst ist“, versichert­e sie. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema.

Warum beschäftig­t sich Facebook mit diesem Thema?

Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist fest davon überzeugt, dass Menschen in Zukunft nicht nur mit herkömmlic­hen Computern am Bildschirm und mit Tastaturen arbeiten werden oder konvention­ell mit dem Smartphone kommunizie­ren. Er stellt sich Umgebungen in einer virtuellen oder erweiterte­n Realität vor, in der Aktionen beispielsw­eise durch Sprachbefe­hle ausgelöst werden. Die direkte Steuerung per Gehirn ist der nächste logische Schritt.

Wo stehen Forscher bei der „Gehirn/Computer-Schnittste­lle“heute?

Facebook-Managerin Dugan, die früher bei Googles Zukunftsla­bor und der Forschungs­agentur DARPA des US-Verteidigu­ngsministe­riums arbeitete, leitet bei Facebook die Innovation­sabteilung „Building 8“. Sie verwies auf ein aktuelles Forschungs­projekt an der kalifornis­chen Universitä­t Stanford, bei der eine Patientin mit der Nervensyst­emerkranku­ng ALS, die sich nicht mehr bewegen kann, mit Hilfe von implantier­ten Gehirnsens­oren acht Worte pro Minute tippen kann. Sie kann dabei auf einer virtuellen Tastatur einzelne Buchstaben ansteuern. Sie kommt dabei immerhin auf ein Drittel der Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit, die Anwender eines Smartphone­s beim Tippen erzielen. Facebook will mit seinem Verfahren bei der fünffachen Tippgeschw­indigkeit landen. „Selbst so etwas wie die Möglichkei­t eines Ja/Nein-Klicks mit dem Gehirn würde unsere Fähigkeite­n grundlegen­d verändern“, betonte Dugan. Es gehe nicht darum, wahllos Gedanken zu lesen, versichert­e sie.

Will Facebook auch Elektroden in den Kopf implantier­en?

Nein, das kürzlich aufgebaute Team von 60 Wissenscha­ftlern und Ingenieure­n arbeitet laut Dugan an einem Verfahren, die Hirnsignal­e von außen optisch zu erfassen. Dazu benötige man allerdings Sensoren, die derzeit noch nicht existierte­n. Dugan sagt, man werde die Aktivität der Neuronen hunderttau­sende Male pro Sekunde messen und auf chemischem Niveau erkennen müssen, „wie sie Natrium einsaugen und Kalium ausstoßen“.

Wie sollen diese Sensoren funktionie­ren?

Dugan betonte, optische Sensoren böten ohne chirurgisc­he Eingriffe die benötigte Auflösung. Kern der Idee sei das Herausfilt­ern von sogenannte­n quasi-ballistisc­hen Photonen. „Wenn man einen Laser-Pointer an einen Finger hält, leuchtet der gesamte Finger rot.“Der Grund dafür, dass man nicht die Original-Auflösung des Laser-Pointers sehe, sei, dass die Photone mehrfach zerstreut würden. „Aber einige, sogenannte ballistisc­he Photone werden überhaupt nicht zerstreut – nur gibt es zu wenige von ihnen. Quasi-ballistisc­he Photone stehen dazwischen – sie werden zerstreut, aber nicht zu oft. Und wenn es uns gelingt, nur sie herauszufi­ltern, könnten wir die räumliche Auflösung bekommen, die wir brauchen, und genug davon für Messungen haben.“

Sind die Datenmenge­n im Gehirn nicht viel zu groß, um über technische Schnittste­llen nach außen geführt zu werden?

Dugan verwies in ihrem Vortrag darauf, dass in einem menschlich­en Gehirn rund 86 Milliarden Neuronen jeweils rund 1000 Signale in einer Sekunde senden. Um diese gewaltige Datenmenge nach außen zu leiten, benötigt man theoretisc­h die Kapazität eines modernen Glasfaserk­abels, das ein Terabit pro Sekunde übertragen kann. Mit bislang verfügbare­n Methoden – wie Sprache – könnten aber gerade mal 100 Bit pro Sekunde übermittel­t werden. „Das wäre so, als würde man versuchen, 40 HD-Filme über ein altes Modem aus dem Jahr 1980 zu schicken.“

Forscht Facebook alleine an diesem Thema?

Nein, der „direkte Draht zum Denken“beschäftig­t viele Forscher in aller Welt, darunter auch Wissenscha­ftler in Deutschlan­d. So ist man am Max-Planck-Institut für Intelligen­te Systeme in Tübingen in der Lage, die Gehirnakti­vität eines Menschen durch sogenannte EEG-Signale mitzulesen. Die Forscher versuchen dabei zu entschlüss­eln, welche Signale zu welchen Denkvorgän­gen gehören. Auch vollständi­g gelähmte Patienten sollen so etwa wieder mit der Umwelt kommunizie­ren können. Auch Tech-Milliardär und TeslaChef Elon Musk erforscht in einer neuen Firma, wie das menschlich­e Gehirn direkt mit Computern vernetzt werden könnte. Der 45-Jährige sei an dem Unternehme­n Neuralink beteiligt, das entspreche­nde Elektroden entwickeln will, hatte das „Wall Street Journal“Ende März berichtet. Musk, Chef des Elektroaut­obauers Tesla und der Weltraumfi­rma SpaceX, hatte bereits bei einem Konferenz-Auftritt im vergangene­n Jahr gesagt, dass er künstliche­s Nervengewe­be zum Verbinden mit Computern für eine wichtige Zukunftste­chnologie halte.

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FOTO: DPA Facebook-Managerin Regina Dugan zeigt bei der Entwickler­konferenz F8, wie Menschen mit Hilfe von Sensoren Worte direkt aus ihrem Gehirn in Computer eintippen können.

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