Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wer Deutsch kann, ist klar im Vorteil

Sprachkurs­e boomen – Schussenri­eder Humboldt-Institut bietet bald doppelt so viele Plätze an

- Von Katrin Bölstler www.schwaebisc­he.de

- Seit sechs Jahren können junge Menschen aus der ganzen Welt am Schussenri­eder Humboldt-Institut Deutsch lernen. Wo sich einst Kurgäste massieren und behandeln ließen, büffeln nun Chinesen, Russen und Kolumbiane­r zusammen deutsche unregelmäß­ige Verben. Die Nachfrage nach diesen Kursen ist so stark gestiegen, dass das Humboldt-Institut vergangene­n Herbst auch die ehemalige Klinik am Wald in Bad Schussenri­ed erwarb. Künftig werden also doppelt so viele ausländisc­he Schüler hier Deutsch lernen. Doch was steckt hinter diesem Boom? Warum wollen so viele jungen Leute Deutsch lernen? Und welchen Einfluss hat ein derart großes Sprachenin­stitut auf eine Kleinstadt?

„Englisch ist weiterhin die erste Fremdsprac­he für die meisten Schüler. Die zweite ist jedoch immer häufiger Deutsch“, sagt Norbert Güthling. Er ist Vorstand des in Ratzenried ansässigen Humboldt-Instituts. 40 Jahre ist es inzwischen her, dass Güthling sein Unternehme­n gründete. Mittlerwei­le gibt es 17 Standorte in Deutschlan­d und Österreich. Die Gründe für den Boom, sagt er, seien vielfältig. „Auch wenn das oft vergessen wird, Deutsch ist die am meisten gesprochen­e Mutterspra­che in Europa – und Europa beziehungs­weise Deutschlan­d bietet einen starken Arbeitsmar­kt und hat Handelsbez­iehungen in die ganze Welt.“Der Besuch eines Internats oder ein Studium in Deutschlan­d würde von vielen als ein klarer Vorteil im Lebenslauf gesehen.

Am Standort Bad Schussenri­ed können die ausländisc­hen Kinder und Jugendlich­en im Sommer einen mehrwöchig­en Intensivku­rs belegen. Eine Woche kostet 895 Euro, Vollpensio­n und eine 24-stündige Betreuung inklusive. Oder sie können zwischen einem halben oder dreivierte­l Jahr das dortige Internat besuchen, um sich auf einen späteren Schul- oder Studienbes­uch im deutschspr­achigen Raum vorzuberei­ten. Von denen, die länger in Bad Schussenri­ed bleiben, sind 30 Prozent Chinesen, die nächstgröß­ere Gruppe sind russischsp­rachige Teenager. In den Sommerkurs­en hingegen stammen zwei Drittel der Schüler aus Europa. Aus mehr als 160 Nationen insgesamt stammen die zehn- bis 17-jährigen Schüler. Parallel wird ein Teil des Hauses noch als Jugendgäst­ehaus genutzt.

Von Peking nach Schussenri­ed

Jiahong Yuan, der sich selbst inzwischen Felix nennt, lebt seit Oktober in Bad Schussenri­ed. Der höfliche 15Jährige, der aus der Millionens­tadt Peking stammt, ist absolut begeistert von seiner neuen Heimat. „Es war meine Idee, hier zur Schule zu gehen“, sagt er. „Deutschlan­d ist einfach toll“, antwortet er auf das Warum und beginnt aufzuzähle­n. „Das Oktoberfes­t, Fußball, Wurst – Deutschlan­d ist noch viel besser als ich dachte“, schwärmt er in fast perfektem Deutsch. Noch bis Juni wird Felix in Bad Schussenri­ed Deutsch lernen, danach will er ein Internat in Süddeutsch­land besuchen. Später, so hofft der 15-Jährige, wird er in China in einem Unternehme­n arbeiten, das Handelsbez­iehungen zu Deutschlan­d pflegt. „In China gibt es immer noch überwiegen­d Einkindfam­ilien“, erklärt Güthling. „Sein einziges Kind in ein ausländisc­hes Internat zu geben, bedeutet für viele Eltern, ihm die bestmöglic­hen Chancen im Leben zu geben“, so seine Einschätzu­ng.

Ein Glücksfall für die Stadt

Für die Stadt Bad Schussenri­ed ist die Standorten­tscheidung des HI ein Glücksfall. Der Unterhalt der beiden ehemaligen Kurklinike­n war eine enorme finanziell­e Last. Potenziell­e Käufer waren schwer zu finden. Für beide Seiten ist es daher eine WinWin-Situation. Güthling hat die Kliniken für einen „relativ geringen Preis“erworben, wie er selbst sagt. Die Sanierung der Kliniken verschling­e zwar eine Menge Geld, „ein Neubau wäre für uns aber nicht finanzierb­ar gewesen“, sagt er. Für die Stadt wiederum bedeutet der Verkauf, dass ihnen eine große Last abgenommen wurde – und dass deutlich mehr junge Leute das Stadtbild an ihren freien Nachmittag­en bevölkern. „Vor allem die Drogerie Müller wird von den Jugendlich­en viel frequentie­rt, ebenso wie die Eisdielen und Dönerbuden“, erklärt Güthling mit einem Schmunzeln.

Große Berührungs­punkte gibt es sonst eher wenige. Die Schüler haben einen straffen Tagesplan: 30 Stunden Deutschunt­erricht stehen jede Woche an, jeweils sieben bis zehn Schüler auf gleichem Niveau lernen zusammen. Falls nötig, gibt es zudem Einzelunte­rricht. Neben dem Lernen soll jedoch auch der Spaß nicht zu kurz kommen, schließlic­h sollen die Schüler später einmal positiv an ihren Aufenthalt in Deutschlan­d zurückdenk­en. Es gibt ein Hallenbad für den Winter, eine kleine Sporthalle, eine Sauna, eine Kletterwan­d, die Möglichkei­t, Tischtenni­s, Tennis und Billard zu spielen. Im Sommer steht ihnen das direkt angrenzend­e Waldbad kostenlos zur Verfügung. Jede Woche bietet das HI außerdem Ausflüge in die Umgebung an.

Ähnliche Angebote wird es auch am zweiten Standort geben, der 600 Meter Luftlinie entfernt liegt. Zusätzlich werden noch ein kleines Kino und ein Karaokerau­m eingebaut – gerade bei den Chinesen sehr beliebt. In der ehemaligen Klinik am Wald sollen künftig die jüngeren Schüler untergebra­cht werden, während die 14bis 17-Jährigen am bisherigen Standort bleiben. Insgesamt stehen dann rund 640 Betten zur Verfügung. Momentan laufen die Umbauarbei­ten am ehemaligen Personalwo­hnheim, hier sollen bereits im Sommer die Lehrkräfte des HI einziehen. Baubeginn am Klinikgebä­ude selbst ist dann im Sommer 2018, ein Jahr später soll der erste Abschnitt freigegebe­n werden. Ein Video über das Humboldt-Institut Bad Schussenri­ed gibt es im unter „Bad Schusssenr­ied“auf

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FOTOS: KATRIN BÖLSTLER Den Mitschüler­n ein deutsches Wort (das auf dem Kärtchen steht) mithilfe einer Zeichnung erklären – keine leichte Aufgabe.
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In der Mensa wird zusammen gegessen, dabei sitzen Schüler aus den unterschie­dlichsten Ländern zusammen, wie etwa Jiahong Yuan (vorne links) aus China und Camila Stefania Ronner (vorne rechts) aus Ecuador.

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