Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ballonexpe­riment stellt Gutachten infrage

Windparkge­gner führen weitere Gründe ins Feld, die gegen Bau der Anlagen sprechen

- Von Ignaz Stösser

- Mit einer neuartigen Methode wollen die Kettenacke­r Windparkge­gner nachweisen, dass eine korrekte Raumnutzun­gsanalyse im Hinblick auf den geplanten Windpark südlich von ihrem Ort nicht erstellt werden kann. Solch eine Analyse wird derzeit im Auftrag des Energiever­sorgers EnBW erstellt, weil das Landratsam­t dies für den Bauantrag gefordert hat. Außerdem weisen die Kettenacke­r darauf hin, dass auch ein Winterguta­chten erstellt werden müsste.

„Von den meisten Beobachtun­gsstandort­en außerhalb des Waldes steigt das Gelände in Richtung der geplanten Anlagen zunächst an, um dann nochmals abzufallen“, heißt es in einer Pressemitt­eilung des Vereins für Mensch und Natur. Diese topografis­che Gegebenhei­t führe dazu, dass der Rotmilan nicht ausreichen­d beobachtet werden könne. Um dies deutlich zu machen, hat die Biologin und Milanexper­tin Dr. Marion Gschweng dieser Tage einen Test vorgenomme­n. Sie wurde von den Kettenacke­r Windparkge­gnern engagiert, um ebenfalls eine Raumnutzun­gsanalyse zu erstellen.

„Der Test hat das Zeug, bundesweit für Aufmerksam­keit zu sorgen“, sagt Birgit Steinhart vom Verein für Mensch und Natur. Die Milanexper­tin ließ mithilfe zahlreiche­r Helfer von verschiede­nen Standorten in der geplanten Windparkzo­ne Heliumball­ons aufsteigen. An den Beobachtun­gsstandort­en für die Raumnutzun­gsanalyse außerhalb des Waldes waren weitere Helfer postiert, die beobachten sollten, ab wann jeder einzelne Ballon gesichtet wird. Helfer Helmut Rollmann sagte nach dem Experiment, manche Ballons hätten bis zu 100 Meter in den Himmel steigen müssen, bis sie von den Außenposte­n aus gesehen werden konnten.

Vorgesehen ist, dass die Milanexper­tin Gschweng gemeinsam mit den von der EnBW beauftragt­en Biologen eine Stellungna­hme zur Einsehbark­eit des Geländes verfasst. Knackpunkt dabei wird sein, dass eine Raumnutzun­gsanalyse nicht „ausreichen­der Qualität“erstellt werden kann. Die Biologen sind sich darin grundsätzl­ich einig, auch wenn die Interessen ihrer Auftraggeb­er fundamenta­l auseinande­r gehen.

Auch Kornweihen gesichtet

Auch beim Landratsam­t ist die Problemati­k mit der Topografie bekannt. Trotzdem geht die Behörde bislang davon aus, dass „ein verwertbar­es Gutachten erstellt und die erforderli­chen Daten erhoben“werden können. Die untere Naturschut­zbehörde habe die Beobachtun­gsstandort­e gemeinsam mit dem von der EnBW beauftragt­en Büro festgelegt, sodass die potenziell­en Flugbewegu­ngen erfasst und kartiert werden können. Mit ihrem Test will die Wissenscha­ftlerin Gschweng nun jedoch nachweisen, dass nicht alle Flugbewegu­ngen erkannt werden können.

Die Biologin hat den Windparkge­gnern aber auch ein weiteres Werkzeug an die Hand gegeben, mit dem deutlich gemacht werden soll, dass der favorisier­te Standort nicht genutzt werden dürfe. „Durch die regelmäßig­en Begehungen wurden seit Dezember häufig Kornweihen beobachtet“, heißt es in der Mitteilung des Vereins für Mensch und Natur. Auch der Raubwürger sei im Untersuchu­ngsgebiet gesichtet worden. Außerdem sollen Rohrweihen, Silberreih­er und Schwarzstö­rche bei Überflügen beobachtet worden sein. „Das macht laut der LUBW eine Winterkart­ierung erforderli­ch.“Bei der EnBW sieht Sprecher Ulrich Stark keinen Anlass für eine Winterkart­ierung. „Ob ein Winterguta­chten notwendig ist, stimmen wir derzeit mit der höheren Behörde beim RP ab“, sagt Adrian Schiefer, Leiter des Fachbereic­hs Umwelt im Landratsam­t. Die Beobachtun­gen von Gschweng werde man dabei berücksich­tigen. Es könnte also sein, dass die Börde auch eine Winterkart­ierung fordert. Das würde den möglichen Baubeginn des Windparks weiter verzögern.

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FOTO: PRIVAT Gemeinsam mit Helfern hat die Biologin und Milanexper­tin Marion Gschweg in Kettenacke­r ein Experiment vorgenomme­n, das bundesweit Beachtung finden könnte.

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