Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Solidarisch, nicht ausschließend denken“
Jess Jochimsen über seinen Auftritt bei der DGB-Veranstaltung in Laupheim zum 1. Mai
- Ein Kabarettist bereichert die Maifeier der Gewerkschaften am Donnerstag, 27. April, um 18 Uhr im Rathaus in Laupheim. „Es darf gelacht werden“, versichert Jess Jochimsen im Gespräch mit Roland Ray. Und fügt hinzu: „In ,Unterhaltung’ steckt auch das Wort ,Haltung’.“
SZ: Herr Jochimsen, Sie treten anlässlich einer Veranstaltung zum „Tag der Arbeit“beim Deutschen Gewerkschaftsbund auf. Ist das eine ungewöhnliche Bühne für Sie?
Jochimsen: Ich bekomme oft Anfragen mit politischem Hintergrund. Das hat natürlich damit zu tun, dass Kabarett und Satire gern die Politik aufs Korn nehmen. Ich suche mir aber schon genau aus, was ich da mache und was nicht.
Ist Wahlkampf tabu für Sie?
Heute ja. Früher habe ich mal für die Grünen getrommelt. Das war zu einer Zeit, als Helmut Kohl noch Kanzler war, ist also verjährt.
Dem DGB...
...habe ich ohne Zögern zugesagt. Zum einen ist die Veranstaltung in Laupheim, dort bin ich mit der „Nacht der Poeten“regelmäßig zu Gast. Zum anderen ist Populismus das Thema der Stunde. Dabei wird gern vergessen, dass populistische Strömungen nicht zuletzt aus handfesten pekuniären Gründen einen derartigen Zulauf haben. Menschen, die meinen, ihren Besitzstand verteidigen zu müssen, oder die sich in einem Wirtschaftssystem als Verlierer fühlen, sind anfällig für nationalistische Parolen, Kraftmeierei und vermeintlich einfache Lösungen. Nehmen wir Frankreich als Beispiel: Viele Franzosen, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind und früher Stammwähler der Linken waren, jubeln jetzt Le Pen zu. Zu wenig diskutiert wird meiner Meinung nach auch, dass wir als Wähler seit vielen Jahren eine Arbeitsmarktpolitik ermöglichen, die man zum Teil als menschenverachtend bezeichnen könnte. Da schlägt das Kabarettistenherz im Zweifel links.
Der DGB propagiert „Solidarität statt Populismus“. Ist das der Schlüssel?
Das sollte der Kernpunkt politischen Handelns sein: dass wir solidarisch, nicht ausschließend denken.
In der Ankündigung des DGB heißt es: „Jess Jochimsen wird uns auf seine Weise den Spiegel vorhalten“. Wie wollen Sie das tun?
Eine klassische Funktion des politischen Kabaretts ist, die Mächtigen auszulachen. Das hat jeder Hofnarr getan. Wir sollten uns freilich auch vor Augen halten, dass wir Einfluss haben, selbst wenn wir uns ohnmächtig fühlen. Mit unserer Stimme als Wähler legitimieren wir letztlich die Mächtigen in diesem Land.
Werden wir Sie nächste Woche von einer eher unheiteren Seite erleben?
Keineswegs. Wer zu einer Maifeier kommt, hat es verdient, nicht nur Reden zu hören. Lachen ist wichtig, und ich verspreche: Es wird richtig was zu lachen geben. Im Übrigen steckt in „Unterhaltung“auch das Wort „Haltung“. Bei der gibt es neben dem Aufrtitt Jochimsens eine Diskussion mit Bianca Flache, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei Diehl Aircabin in Laupheim, und Ibrahim Yildiz, Betriebsrat bei Liebherr in Biberach, zum Thema Populismus.