Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Weil ihn die Sucht gefangen hielt, droht jetzt die Haft

Räuberisch­er Diebstahl in Buchauer Markt: Amtsgerich­t Biberach verurteilt 27-Jährigen zu neun Monaten Gefängnis

- Von Annette Grüninger

BAD BUCHAU/BIBERACH - Wegen einer Flasche Wodka und einer Dose Whiskey muss ein 27-jähriger Räuber eine Gefängniss­trafe verbüßen. Der Mann wollte den Alkohol in einem Bad Buchauer Supermarkt mitgehen lassen, wurde dabei ertappt und schlug einen Kunden mit der Faust ins Gesicht. Weil er einschlägi­g vorbestraf­t ist und die Tat zudem in seine Bewährungs­zeit fällt, verurteilt­e Richter Ralf Bürglen vom Amtsgerich­t Biberach den Angeklagte­n zu neun Monaten Haft.

Eine Flasche Wodka, eine Dose Jim-Beam-Whiskey, Gesamtwert 9,38 Euro – besonders üppig war die Beute wahrlich nicht ausgefalle­n. Und dennoch erwies sie sich vor dem Amtsgerich­t Biberach als ausreichen­d, um eine neunmonati­ge Haftstrafe für den Angeklagte­n nach sich zu ziehen.

Auf große Reichtümer war dieser freilich gar nicht aus gewesen. Als er am 12. Oktober 2016 gegen 18.45 Uhr abends den Buchauer Supermarkt betritt, hat der gelernte Maler und Lackierer bereits eine lange Geschichte als Suchtkrank­er hinter sich. Schon früh war er mit Drogen in Berührung gekommen. Mit elf, zwölf Jahren fängt er an zu rauchen, mit 13 Jahren Alkohol zu trinken; mit 14 kifft er. Und obwohl er in diesem Alter auch zum ersten Mal eine Suchthilfe­einrichtun­g besucht, macht er mit 16 Jahren die ersten Erfahrunge­n mit synthetisc­hen Drogen. Weitere Therapien folgen – erfolglos. Weil die Drogen epileptisc­he Anfälle auslösen, gerät er zunehmend körperlich an seine Grenzen.

Vergangene­n Oktober hat das Leiden seine Spitze erreicht. Der junge Mann versucht, mit einem kalten Entzug dem Heroin zu entkommen. „Dabei habe ich aber meine Sucht auf Alkohol verlagert. Wenn ich nicht getrunken habe, hatte ich erhebliche Entzugsers­cheinungen vom Alkohol“, erklärte der Angeklagte, der inzwischen clean und trocken ist und in einer Langzeitth­erapie Hilfe sucht.

Angeklagte entschuldi­gt sich

Vor Gericht gab sich der Mann geständig und kooperativ; Richter, Schöffen und Staatsanwä­ltin stand er in einer guten Ausdrucksw­eise Rede und Antwort. Auch dass er einen Kunden geschlagen hatte, leugnete er nicht und entschuldi­gte sich bei ihm persönlich. Der Disponent, ein früherer Ladendetek­tiv, hatte ihn beim Diebstahl der Wodkaflasc­he beobachtet und an der Kasse gestellt. Dort kam es zu einem Handgemeng­e und, als der Zeuge den Angeklagte­n Richtung Lager bugsierte, schließlic­h zum Faustschla­g ins Gesicht. „Ich wollte einfach raus aus der Situation“, so der Suchtkrank­e.

Whiskeydos­e spielt große Rolle

Staatsanwä­ltin Mona Düffert nahm ihm diese Erklärung nicht ganz ab, nachdem der Kunde, eine Verkäuferi­n und auch der später hinzugezog­ene Polizeihau­ptmeister ihre Aussage vor Gericht gemacht hatten. Während der Beweisaufn­ahme hatte kurioserwe­ise die Whiskeydos­e eine entscheide­nde Rolle gespielt. Sie war von den Zeugen zunächst nicht bemerkt worden und erst später im Lagerraum dem Angeklagte­n aus der Tasche gefallen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt schon als Ladendieb überführt, habe der Suchtkrank­e daraufhin mehrere Versuche unternomme­n, die Dose wieder in seinen Besitz zu bringen, so die Zeugen.

Für Staatsanwä­ltin Düffert, aber auch Richter Bürglen, war dies der Knackpunkt, der aus dem Diebstahl ein räuberisch­er Diebstahl machte. Mit dem Faustschla­g habe sich der Angeklagte nicht gegen das Festhalten wehren wollen. Vielmehr habe er der Ankunft der Polizei, da unter Alkoholein­fluss, teilnahmsl­os entgegenge­sehen. Er habe Gewalt angewandt, um seine Beute zu verteidige­n, so Düffert. Eben deshalb, weil er sie „als aktuelle Droge“dringend benötigte: „Deshalb war er darauf fixiert, den Alkohol zu behalten.“Damit sah sie den Tatvorwurf des räuberisch­en Diebstahls in Tateinheit mit Körperverl­etzung als erwiesen an. Da es sich um einen minder schweren Fall handle, forderte die Staatsanwä­ltin eine Haftstrafe von sieben Monate, die jedoch wegen der vielen, auch einschlägi­gen, Vorstrafen nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

Tatsächlic­h war der Angeklagte wegen seiner Sucht immer wieder im dem Gesetz in Konflikt bekommen. Da er sich derzeit erfolgreic­h einer Therapie unterziehe, unterstell­te Rechtsanwa­lt Alfred Nübling seinem Mandanten eine gute Sozialprog­nose. Als Verteidige­r forderte er, die sieben Monate erneut zur Bewährung auszusetze­n, verknüpfte damit aber eine Reihe von Auflagen, etwa ein Urinscreen­ing, um ein Rückfall in die Sucht auszuschli­eßen.

Richter: „ein mildes Urteil“

Richter Ralf Bürglen ließ sich mit den Schöffen Beate Rundel und Rosa Härle gut eine halbe Stunde Zeit für die Urteilsfin­dung. Mit neun Monaten ohne Bewährung setzte er allerdings eine etwas höhere Strafe an. „Auch wenn Sie sich das jetzt nicht vorstellen können: Aus unserer Sicht ist es ein mildes Urteil“, wandte er sich an den Angeklagte­n. Ihm hielt er zugute, dass der Wert der Beute gering, die Körperverl­etzung nicht sehr schwerwieg­end, er selbst überwiegen­d geständig und vor allem die Sucht treibende Kraft der Tat gewesen sei.

Auf der anderen Seite stehe aber ein einschlägi­ger Bewährungs­bruch in zwei Fällen. „Wir können nicht davon ausgehen, dass der Angeklagte heute keine Straftaten mehr begehen wird“, schloss Bürglen. „Wir glauben ihm aber, dass er keine mehr begehen möchte.“

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