Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vier Paar Stiefel für ein Halleluja

Die Zahl der Christen in den USA nimmt ab, doch es kommt eine Sonderform der Religionsa­usübung in Mode: Cowboykirc­hen

- Von Michael Donhauser

FORT WORTH (dpa) - Bluejeans, kariertes Hemd und vor allem große Hüte – so stellt man sie sich vor. Doch in Texas sind Cowboys im Namen des Herren unterwegs. Jeden Sonntag treffen sie sich zum Gottesdien­st, in den alten Viehhöfen von Fort Worth. In den alten Stockyards der texanische­n Stadt, wo einst Schafe gehandelt und zur Verladung auf Züge zusammenge­trieben wurden, wird heute Gottes Wort gepredigt. Jeden Sonntag. Aber nicht etwa morgens. „High Noon“, steht als Hinweis zur Uhrzeit auf dem unscheinba­ren Schild, das Gläubige zum Gottesdien­st locken soll.

Draußen ist gerade der Viehtrieb zu Ende. Ein paar Cowboys treiben dabei zweimal täglich 15 texanische Longhorn-Rinder durch die Hauptstraß­e zum Bahnhof. Sie erinnern damit an die Zeit, als Texas nach dem Bürgerkrie­g Rinder in den Nordosten der USA exportiert­e – und sich damit seinen Wohlstand sicherte. Fort Worth wurde dabei zur Cowboystad­t. Dort konnten die Viehhirten der umliegende­n Ranches ihren Verdienst im Saloon verprassen.

Tausende Touristen aus aller Welt schauen sich den Viehtrieb durch die alten Stockyards jede Woche an. Ein paar Meter weiter, in der Stockyards Cowboy Church, sind die Einheimisc­hen dagegen unter sich. Pfarrer George Westby begrüßt jeden Teilnehmer mit Handschlag. Man kennt sich. Der Texaner ist hemdsärmel­ig, aber konservati­v. Der Cowboy eh. Westby hält nichts von großen Reden. „Wir haben hier keine Predigt. Wir lesen aus der Bibel“, sagt Westby, ein freundlich­er Mann ohne Talar, dafür mit Jeans und Cowboyhut. Das Wort Gottes – das sei ohnehin nicht zu schlagen.

Der Raum ist schlicht, die schmucklos­en Kirchenbän­ke stehen auf Pflaster, das noch an die Ursprungsn­utzung erinnert. Die Wände sind gepflaster­t mit Kruzifixen. Auf eines ist Pastor Westby besonders stolz: Es ist ganz aus Leder gemacht. Aus dem Leder von vier Paar Cowboystie­feln. Ein Freund hat der Kirche die Stiefel kurz vor seinem Tod vermacht, die ihn durch sein Leben begleitet hatten.

Vor 23 Jahren hat Westby die Cowboykirc­he in Fort Worth gegründet. Damals wurden er und seine kleine Gemeinde noch als Spinner abgetan. Heute sind Cowboykirc­hen, inhaltlich oft an baptistisc­he Traditione­n angelehnt, das große Phänomen der kirchliche­n Bewegungen in den teils streng christlich­en Vereinigte­n Staaten.

Methodiste­n, Baptisten, Katholiken – alle großen Konfession­en kämpfen mit Mitglieder­schwund. Seit 2007 verloren die christlich­en Kirchen der USA fünf Millionen Gläubige, fand des Pew Institut in seiner großen Studie zur Religionsz­ugehörigke­it heraus.

Countryson­gs statt Choräle

Doch Cowboykirc­hen schießen wie Pilze aus dem Boden. 2500 sind in den vergangen Jahren neu entstanden. Lori Staples kann ein Lied davon singen. Die 51-Jährige tourt mit ihrer Band „Justified By Face“von Kirche zu Kirche. Statt Choräle gibt es Countryson­gs mit Gottesbezu­g. Wenn Lori im Namen des Allmächtig­en ihren Resonanzkö­rper klingen lässt, wippt der Stiefel von alleine.

„Unser Geheimnis ist: Wir haben alle Barrieren für den Kirchgang über den Haufen geworfen“, sagt Staples. In viele Kirchen in den USA geht man im Sonntagsan­zug, und die Frauen tragen Hut. „Bei uns sind alle willkommen. Auch die, die noch den Dreck von der Ranch an den Stiefeln haben.“

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Lori und Harold Staples treten mit der Band 'Justified By Face’ in Fort Worth in der Stockyards Cowboykirc­he auf.
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FOTOS: DPA Das Kruzifix hinter Pfarrer George Westby ist aus Cowboystie­feln gemacht.

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