Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Merkels schwierige Weltreise

Die Bundeskanz­lerin trifft in Saudi-Arabien und Russland auf komplizier­te Gesprächsp­artner

- Von Kristina Dunz und Benno Schwingham­mer

(dpa) - In Saudi-Arabien bleiben Frauen zu Hause, bekochen die Männer und nähen Kleider für die ganze Familie, erzählt ein Stadtführe­r in der Altstadt der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer. Der freundlich­e Mann sagt das in fließendem Englisch und irgendwie mit Stolz. Auf die Frage, ob die Frauen denn gar nicht am Leben „draußen“teilnähmen, antwortet er streng. Die Araber legten Wert auf ihre Kultur, die Frauen könnten das Leben auf der Straße von den (vergittert­en) Balkonen aus beobachten.

Angela Merkel spricht derweil mit dem Königshaus über Menschenre­chte, Frauenrech­te, Wirtschaft, Krisen und Kriege. Sie kann den Kronprinze­n und den stellvertr­etenden Kronprinze­n, Mohammed bin Naif und Mohammed bin Salman dazu bewegen, eine ihrer Ideen gut zu finden: Eine Vermittler­rolle Deutschlan­ds im verheerend­en Bürgerkrie­g im Nachbarlan­d Jemen. Dort versucht Saudi-Arabien, schiitisch­e Huthi-Rebellen zu bekämpfen – und den Einfluss des verfeindet­en Irans, der die Rebellen angeblich unterstütz­t, einzudämme­n.

Es könne keine militärisc­he Lösung geben und erfreulich­erweise setze auch Saudi-Arabien auf den politische­n Prozess, der von den Vereinten Nationen gesteuert wird, sagt Merkel. Mangelnde Akzeptanz als Frau hat sie in Saudi-Arabien noch nicht erlebt. König Salman gibt zu ihren Ehren ein Bankett. Merkel spricht auch mit Unternehme­rinnen, die ihr berichten, wie stark sich momentan die saudische Gesellscha­ft verändere.

Heikle Gesprächst­hemen

Bei dem Besuch prallen zwei Welten aufeinande­r, hier Freizügigk­eit, Frauenrech­te und Freiheitsr­echte, dort Verschleie­rung und öffentlich­e Auspeitsch­ungen und Strafen bei nichtmusli­mischen Glaubensbe­kundungen. Und dennoch wird schnell klar: Sich nicht zu treffen, wäre die schlechter­e Lösung.

Denn Saudi-Arabien ist mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern aus deutscher Regierungs­sicht „dramatisch wichtig“für die gesamte konfliktre­iche arabische Welt. Der Syrienkrie­g, wo Saudi-Arabien in der US-geführten Koalition gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) kämpft. Der regelrecht­e Hass zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der wiederum an der Seite des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad steht. Und eben der Konflikt im benachbart­en Jemen.

Heikel sind da natürlich deutsche Rüstungsex­porte nach Saudi-Arabien. Derzeit stehen aber wohl keine an. Und das Thema könnte sich bald auch erledigt haben: Der saudische Vize-Wirtschaft­sminister Mohammad al-Tuwaidschr­i sagte dem „Spiegel“: „Wir werden der deutschen Regierung keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen.“Merkel spricht die schlechte Menschenre­chtslage an. Auch speziell den Fall des in Saudi-Arabien inhaftiert­en Bloggers Raif Badawi. Dessen Frau Ensaf Haidar hatte sehnlich gehofft, dass Merkel König Salman direkt nach der Begnadigun­g ihres Mannes fragt. Badawi wurde 2014 nach bereits mehrjährig­er Haft wegen angebliche­r Beleidigun­g des Islams zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Stockhiebe­n verurteilt. Mit 50 Stockhiebe­n wurde bereits auf ihn eingeprüge­lt. Sein Vergehen: Er setzte sich für die Gleichbeha­ndlung aller Menschen ein.

Merkel sieht das Land aber in einem positiven Umbruch: „Es gibt Beschwerni­sse, aber es gibt auch Erfolge.“Seit ihrem letzten Besuch 2010 sei die Rolle der Frau gestärkt worden, auch wenn Gleichbere­chtigung wie in Deutschlan­d weit entfernt sei.

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FOTO: DPA Schüler der internatio­nalen Schule empfangen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in Abu Dhabi.

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