Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein tödlicher Fehler

Heute beginnt in Bad Säckingen der Prozess gegen einen 85-jährigen Autofahrer

- Von Jürgen Ruf

(dpa) - Am Ort des Unglücks sind die Spuren des damaligen Geschehens längst beseitigt. Straßencaf­és haben ihre Tische und Stühle wieder ins Freie gestellt, Geschäfte und Marktleute ihre Stände aufgebaut. Die kleine Gasse in der historisch­en Altstadt am Hochrhein ist belebt mit Einheimisc­hen und Touristen. Vor knapp einem Jahr war hier ein Rentner mit seinem Auto in die Menschenme­nge gerast. Er hatte den Ermittlung­en zufolge Gas und Bremse seines Automatika­utos verwechsel­t. Es gab zwei Tote und 27 Verletzte.

Heute (9 Uhr) beginnt der Prozess gegen den heute 85-Jährigen. Das Amtsgerich­t in der 17 000 Einwohner zählenden Kleinstadt im Süden Baden-Württember­gs, direkt an der Grenze zur Schweiz, verhandelt den Fall, der Anfang Mai vergangene­n Jahres überregion­al Schlagzeil­en machte – und generelle Fragen aufwarf nach der Kompetenz von Senioren im Straßenver­kehr. Der Rentner war mit seinem Auto über das Kopfsteinp­flaster sowie durch zwei Straßencaf­és gerast.

Eine 63 Jahre alte Frau sowie ein 60 Jahre alter Mann kamen durch die Irrfahrt ums Leben. 27 Menschen wurden verletzt, 9 von ihnen schwer. Sie waren in der Fußgängerz­one unterwegs, als das Auto dort plötzlich auf sie zuraste. Das Unglück hatte sich an einem Samstagmit­tag in der bei Touristen beliebten Innenstadt des Ortes ereignet.

Angeklagt ist der Rentner wegen fahrlässig­er Tötung und fahrlässig­er Körperverl­etzung, teilte eine Gerichtssp­recherin mit. Im Fall einer Verurteilu­ng drohen ihm laut Strafgeset­zbuch (StGB) bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Bei fahrlässig­er Körperverl­etzung sind es den Angaben zufolge bis drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe.

„Uns bot sich ein Bild des Schreckens“, erinnert sich ein Helfer, der damals Verletzte versorgte. Der Wagen sei mit hoher Geschwindi­gkeit unkontroll­iert in die Menschenme­nge gefahren. Es habe für die Passanten keine Chance gegeben auszuweich­en.

Den Führersche­in musste der Mann gleich nach dem Unfall abgeben, teilte eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft mit. Das Unglück, sagen Ermittler, habe den Mann, der damals auch verletzt worden war, stark mitgenomme­n. Vor Gericht wird er Angehörige­n und Hinterblie­benen von Opfern gegenübers­tehen. Zwei von ihnen sind in dem Prozess als Nebenkläge­r vertreten. Mit einem Urteil wird Gerichtsan­gaben zufolge Mitte Mai gerechnet (Az.: 2 LS 24 JS 3442/16).

Der Unfall hatte eine Debatte über betagte Autofahrer ausgelöst. Das Bundesverk­ehrsminist­erium sowie der ADAC lehnten danach eine strengere Überprüfun­g von Senioren mit Pflichttes­ts erneut ab. Der ADAC rief Senioren aber dazu auf, sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen und im Zweifel Rat bei einem Mediziner zu holen. Senioren können, wenn sie an ihrer Fahrtaugli­chkeit zweifeln, den Führersche­in freiwillig abgeben.

Zu einem Anstieg solcher freiwillig­en Führersche­inabgaben führte der spektakulä­re Fall in Bad Säckingen in der Region aber nicht, teilte ein Sprecher des Landratsam­tes Waldshut mit. Die Zahlen seien seit Jahren stabil. Pro Jahr geben in dem ländlich geprägten Landkreis den Angaben zufolge im Durchschni­tt 60 bis 70 Senioren ihren Führersche­in freiwillig ab. Im Gegenzug erhalten sie für ein Jahr freie Fahrt mit Bussen und Bahnen in dem Landkreis. Bevor es diese Freifahrtt­ickets gab, hatten in dem Kreis im Schnitt nur fünf Senioren pro im Jahr ihren Führersche­in freiwillig abgegeben.

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FOTO: DPA Bremse und Gas verwechsel­t: Zwei Tote und 27 Verletzte forderte das Fehlverhal­ten eines 85-Jährigen im Mai 2016 in Bad Säckingen.

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