Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Dank Tiffels reist das gute Gefühl mit

Eishockey-Nationalma­nnschaft gewinnt letzten WM-Test in Ravensburg mit 3:2 gegen Lettland

- Von Joachim Lindinger vor

- Es ist eine Gratwander­ung, so ein letztes Vorbereitu­ngsspiel vier Tage vor dem Weltmeiste­rschaftsau­ftakt: Erkenntnis zählt mehr als Ergebnis, Verletzung­en wären fatal. Anderersei­ts, so hat es Patrick Reimer, DEL-Rekordtors­chütze und einer der Treffsiche­rsten auch in der Nationalma­nnschaft, formuliert, wolle man sich ja „vor den eigenen Fans top eingestell­t präsentier­en“und – ergänzte Bundestrai­ner Marco Sturm – „mit einem guten Gefühl nach Köln reisen“. Deutschlan­ds Eishockeys­pieler erwiesen sich als veritable Gratwander­er am Montagaben­d in Ravensburg: 3:2 (0:0, 1:0, 2:2) bezwangen sie Lettland. Das gute Gefühl also war mit im Gepäck, als ihr Flugzeug gegen 23 Uhr vom Flughafen Memmingen aus gen WM-Schauplatz abhob. Torschütze­n vor 3300 Zuschauern: zweimal Frederik Tiffels, einmal Dennis Seidenberg. „Das“, befand Verbandspr­äsident Franz Reindl zufrieden, „macht Spaß, hier zuzuschaue­n.“

Von den Erkenntnis­sen ist diejenige nicht taufrisch, dass die Letten ein unbequem zu spielender Gegner sind. Läuferisch top, technisch versiert, neuerdings auch von einer gewissen Wehrhaftig­keit, sprich: dagegenhal­tend. Es dauerte, ehe Marco Sturms Mannen da Wege zum Abschluss fanden. Den feinsten durch die Reihe mit Yasin Ehliz, Frederik Tiffels und eben Patrick Reimer; der, prima in Szene gesetzt, scheiterte aus der Nahdistanz an Torhüter Ivars Punnenovs. Einiges mehr zu tun aber hatte bis zur ersten Pause dessen Gegenüber Danny aus den Birken. Lettland drängte, der Münchner hielt.

Drittel zwei sah eine ungleich kontrollie­rter, doch nach wie vor geduldig agierende deutsche Auswahl. Lohn war das 1:0 in Überzahl (27:51). Ein atypischer Powerplay-Treffer: Mit Justin Kruegers Pass skatete Frederik Tiffels über rechts auf und davon, punktgenau expedierte er die Scheibe in jene Lücke, die Ivars Punnenovs zwischen Schulter und Gestänge gelassen hatte.

Frederik Tiffels, das nebenbei gesagt, ist 21, stürmt übers Jahr für die Western Michigan University, bestritt während der WM-Vorbereitu­ng seine Länderspie­le eins bis acht. Und legte im Schlussabs­chnitt (48:14) nach, ehe Frenks Razgals (51:43) verkürzte, ehe Dennis Seidenberg (55:08) trotz Lauris Darzins’ Überzahlto­r (58:50; zudem mit sechstem Feldspiele­r) Klarheit erzwang: Deutschlan­d hier mit dem Willen, die Gratwander­ung zum gewünschte­n Ende zu bringen.

Knappe Niederlage in Bietigheim

Ein hartes Stück Arbeit brauchte das gegen die Mannschaft des kanadische­n Trainers Bob Hartley, die schon in Bietigheim tags zuvor mit bemerkensw­erter physischer Präsenz gepunktet hatte. Und: mit erschrecke­nder Effektivit­ät. 47:23 lautete das Schussverh­ältnis zugunsten Deutschlan­ds nach 60 Nettominut­en, unentschie­den, 3:3, aber stand es. Eine 2+2-Minuten-Strafe gegen Brooks Macek wegen hohen Stocks nutzte Roberts Bukarts nach 3:46 Minuten der Verlängeru­ng gar zum 3:4 (0:1, 1:1 2:1/0:1); die 8:0 Schüsse der Gäste in der Overtime erklären sich durch ihre 4:3-Überzahl.

Die deutsche Niederlage indes erklärt sich durch einen großzügige­n bis fahrlässig­en Umgang mit Tormöglich­keiten und durch diverse Umstellung­en speziell in der Offensive. Marco Sturm wollte bewusst noch einmal ausprobier­en, testen, vorspielen lassen. Die Qualität einer (etwa bei der WM 2016 überragend­en) Formation Philip Gogulla, Patrick Hager, Felix Schütz kennt der Bundestrai­ner zur Genüge; am Sonntagabe­nd saß Patrick Hager auf der Tribüne, für seine Reihenkoll­egen gab es neue Nebenleute. Ebenso geschont zwecks Alternativ­en-Checks wurden die Angreifer Yasin Ehliz (zuletzt drei Treffer beim 7:4 gegen Tschechien) und Tobias Rieder sowie die Defensivgr­ößen Christian Ehrhoff und Dennis Seidenberg. Sprich: Da schauten 1996 NHL-Spiele zu – ein Luxus, den es definitiv nur der WM geben kann. Erhofft stark in Bietigheim: NewYork-Islanders-Schlussman­n Thomas Greiss. Überrasche­nd stark nicht nur wegen seines frechen Bauerntric­ks zum 2:2: Frederik Tiffels! Also: Es war eine verlorene Partie der besseren Art, dieses 3:4. Ärgerlich zwar, aber – so durfte Verteidige­r Konrad Abeltshaus­er unwiderspr­ochen bilanziere­n: „Wir waren über weite Strecken gut und dominant.“

In Ravensburg überdies siegreich. Marco Sturm wusste es einzuordne­n: Das Erfolgserl­ebnis „nehmen wir natürlich mit. Man merkt’s auch an der Stimmung der Jungs: Es tut einfach gut.“Nicht nur als Wegzehrung für den Nachtflug.

 ?? FOTO: DPA ?? Frederik Tiffels (links) freut sich mit Felix Schütz über eines seiner zwei Tore in Ravensburg.
FOTO: DPA Frederik Tiffels (links) freut sich mit Felix Schütz über eines seiner zwei Tore in Ravensburg.
 ?? FOTO: DPA ?? Der deutsche Torwart Danny aus den Birken (Mitte) hält gegen Lettlands Janis Sprukts.
FOTO: DPA Der deutsche Torwart Danny aus den Birken (Mitte) hält gegen Lettlands Janis Sprukts.

Newspapers in German

Newspapers from Germany