Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hilfen für Obstbauern beschlossen
Frostschäden bedrohen viele Existenzen – Land will Bauern und Winzern Geld zahlen
- Die Schäden sind gravierend: Ein Drittel aller Obstanbauflächen in Baden-Württemberg hat der Frost der vergangenen Wochen erheblich geschädigt. Jeder vierte Hektar, auf dem Wein wächst, ist betroffen. Deshalb hat die Landesregierung am Dienstag den Weg frei gemacht, um Winzer und Obstbauern finanziell zu unterstützen. Wie viel Geld aus der Landeskasse fließt, steht aber frühstens im Herbst fest.
Zwischen dem 19. und 21. April sanken die Temperaturen im Land zum Teil auf minus neun Grad. „Es gibt Bauern, die keine Ernte erwarten können. Wir werden die Betriebe nicht im Stich lassen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Stuttgart.
Schadensbilanz nach der Ernte
Das Landwirtschaftsministerium hat eine erste Schadensbilanz aufgestellt. Agrarminister Peter Hauk (CDU) geht von einem Schaden in dreistelligen Millionensummen aus. Wie groß die Ausfälle tatsächlich sind, lässt sich erst nach der Ernte im Herbst sagen. Dann will Hauk mit Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) aushandeln, wie viel Geld für die Landwirte zur Verfügung gestellt werden kann. „Es steht fest, dass die Schäden deutlich höher sind als 2011“, sagte Hauk am Dienstag. Im Vergleich zum damaligen Frosteinbruch im Frühjahr seien aktuell dreibis viermal so viele Flächen betroffen. Damals zahlte das Land sieben Millionen Euro an Entschädigungen.
Damit überhaupt Geld vom Land fließen kann, muss die Regierung den Wintereinbruch als Naturkatastrophe deklarieren. Nur dann erlaubt das EU-Recht Zahlungen aus öffentlichen Kassen an Landwirte. Mit ihrem Beschluss vom Dienstag haben die Regierungsmitglieder diese Formalie erfüllt.
Für die Landwirte ist entscheidend, woran sich die Zahlungen orientieren. Hauk sagte, es werde voraussichtlich jeder Geld bekommen, der einen Ertragsausfall von mehr als 30 Prozent habe – im gesamten Betrieb, nicht nur in einzelnen Lagen. Die Obstbauern halten das jedoch für ungerecht. „Es wird der bestraft, der gut wirtschaftet“, sagte der Ravensburger Hartwig Roth, Vizepräsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO). Wirtschaftliche gesunde Betreibe würden so kein Geld bekommen, obwohl sie erhebliche Frostschäden zu verzeichnen hätten. Roth fordert Entschädigungssummen wie jene, die bei Spätfrösten an Bauern in Frankreich und Österreich ausgezahlt wurden. „Das waren bis zu 8000 Euro pro Hektar“, so Roth.
Eine solche Nothilfe löst jedoch ein Problem nicht: Die Gefahr von Frostschäden wächst. Laut Daten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) fängt der Frühling in der Pflanzenwelt heute im Schnitt zehn Tage früher an als noch 1951. Wenn es spät im Jahr Frost gibt, sind die Obstkulturen weiter entwickelt als noch vor Jahrzehnten. Deshalb verursacht der Frost heute größere Schäden.
Daher will sich das Land dafür einsetzen, dass es künftig bessere Möglichkeiten für Landwirte gibt, sich gegen Frost und andere Wetterereignisse zu versichern. Derzeit können sich nur Wein- und Erdbeerbauern gegen Frost absichern. „Für Kern- und Steinobst wären die Prämien viel zu hoch“, erläutert HansUlrich Eppler, Bezirksdirektor der Vereinigten Hagel, einem Versicherer für Landwirte. Birnen und Äpfel sind lange Frostgefahren ausgesetzt. Erdbeeren dagegen nur kurz, Wein ist insgesamt robuster.
Zuschüsse für Versicherungen
In 18 EU-Ländern gibt es dagegen Policen gegen Frost. Dort zahlen die Regierungen Zuschüsse. Bis zu 65 Prozent der Kosten werden getragen. Ein solches Modell wünschen sich die Obstbauern für Deutschland – und finden dabei Unterstützung. Ministerpräsident Kretschmann will sich erneut im Bund dafür einsetzen, dass eine Versicherungspflicht für Elementarschäden eingeführt wird. Fachminister Hauk plädiert auch dafür, ebenso wie für Zuschüsse, die neue Policen ermöglichen.
Der Landesbauernverband (LBV) lehnt eine Pflichtversicherung jedoch ab und verweist auf die unternehmerische Freiheit des einzelnen Bauern. Zuschüsse für Versicherungspolicen dürften nicht etwa von EU-Geldern für Landwirte abgezweigt werden. Die Obstbauern kritisieren beim Thema Versicherungen den eigenen Dachverband: „Gegen Hagel und Sturm können sich Bauern versichern, für viele außer uns Obstbauern waren andere Wetterschäden deshalb lange kein Thema“, so LVEO-Vize Roth. Deshalb hätten auch Vertreter der Bauernverbände Neuerungen blockiert.