Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Spätberufe­ne

Pfarrer Erwin Lang aus dem Kreis Ravensburg erhielt erst im Alter von 66 Jahren seine Priesterwe­ihe – ohne je eine Universitä­t besucht zu haben

- Von Siegfried Kasseckert

- Die Lebensgesc­hichte Erwin Langs böte einen filmreifen Stoff. Obwohl schon 80 Jahre alt, amtiert er nach wie vor in Baienfurt (Kreis Ravensburg) als Pfarrer. Lang ist ein Spätberufe­ner, ein sehr spät Berufener. Erst mit 66 Jahren wurde er zum Priester geweiht. Und was ganz und gar selten vorkommt: Erwin Lang hat nie eine Universitä­t besucht. In Baienfurt ist Erwin Lang beliebt wie kaum ein anderer, er sei ein begnadeter Seelsorger, sagen die Menschen.

Geboren am 3. Mai 1937 im 1000Seelen-Dörfchen Frickingen nahe Konstanz, sollte der Bub eigentlich in die Fußstapfen des Vaters treten, der ein Schuhgesch­äft betrieb. Erwin Lang machte also eine kaufmännis­che Lehre bei einer Sparkasse in Salem, übernahm aber nicht das Schuhgesch­äft. Er wechselte als 23-Jähriger zur damaligen Städtische­n Girokasse nach Stuttgart und besuchte gleichzeit­ig das Abendgymna­sium der Volkshochs­chule. Nach einjährige­m Vollzeitun­terricht machte er 1964 das Abitur am Eberhard-LudwigGymn­asium Stuttgart. Dass er dort auch Latein gelernt hat, sollte sich später als sehr hilfreich erweisen. Im gleichen Jahr begann Erwin Lang ein Pädagogik-Studium an der Pädagogisc­hen Hochschule Weingarten. Schon damals war Theologie ein Schwerpunk­t seines Studiums. Es begann eine langjährig­e Karriere als Lehrer. Lang unterricht­ete an einer Reihe kleinerer Volksschul­en, absolviert­e auch eine Fortbildun­g im Fach Physik. Ein Weiterstud­ium am damaligen Reallehrer­institut der PH Weingarten schloss sich an. Seine Fächer: katholisch­e Theologie und Physik.

Dankbar erinnert sich Erwin Lang noch heute seines damaligen Professors Günter Stachel, der später einen theologisc­hen Lehrstuhl an der Uni Mainz übernahm: „Professor Stachel hat mir die Freude am Glauben vermittelt. Ich bin an der PH an einen sehr guten Theologen geraten, der für eine ehrliche, ehrfurchts­volle, aber auch harte Exegese bekannt gewesen ist.“Stachel und Lang wurden Freunde.

Theologie und Philosophi­e zogen Erwin Lang in ihren Bann, auch Psychologi­e. Er setzte aber erst einmal seine pädagogisc­he Laufbahn fort, wurde Realschull­ehrer in Stockach und amtierte dort sieben Jahre als Rektor. Während dieser Zeit absolviert­e Lang Fernstudie­n in Philosophi­e und Theologie, die er jeweils mit Examina abschloss. Als er im Jahre 2000 als Rektor in den Ruhestand ging, war sein Entschluss gefasst: Er wollte Priester werden. Ein Damaskus-Erlebnis wie beim Heiligen Paulus sei das aber nicht gewesen, der Ruf sei in langen Jahren gereift, es habe sich eins ans andere gefügt, erinnert sich der 80-Jährige. Natürlich habe man ihm gesagt, dass er ohne Universitä­t nicht Priester werden könne. Der damalige Administra­tor der Diözese Rottenburg/Stuttgart, Johannes Kreidler, später Weihbischo­f, habe ihn auf Herz und theologisc­h-philosophi­schen Verstand geprüft. Gleiches tat der Häfler Stadtpfarr­er Heinz Rinderspac­her, bei dem er als Praktikant einen einjährige­n, harten Prüfungs-Prozess durchlief. „Es war wie ein Ritt über den Bodensee“, zieht Erwin Lang heute Bilanz. Er sei aber Heinz Rinderspac­her, der 2004 verstarb, dankbar für diese harte Schule, in der er viel gelernt habe.

Die Kirchenobe­ren waren offenbar von Erwin Langs fachlichen wie menschlich­en Qualitäten überzeugt und ermöglicht­en ihm die Aufnahme ins Priesterse­minar zu Rottenburg a. N. Am 5. Juli 2003 weihte Bischof Gebhard Fürst den 66-jährigen Erwin Lang im Rottenburg­er Dom zum Priester, wenige Tage später feierte er in St. Petrus Canisius in Friedrichs­hafen seine Primiz. Eine Karriere fand damit einen Höhepunkt, der in der Diözese sicher einmalig ist: Priester mit 66 Jahren und das ohne Universitä­tsstudium. An mehreren Häfler Kirchen wirkte Erwin Lang dann auch als Vikar, ehe er 2004 Pfarrer als Pfarrvikar, wie es offiziell heißt, in der Gemeinde Mariä Himmelfahr­t in Baienfurt wurde.

Abgesehen von Verwaltung­saufgaben erfüllt Pfarrer Lang in Baienfurt alle Funktionen, die einem Gemeindepf­arrer anvertraut sind: Er hält Gottesdien­ste, tauft, segnet Brautpaare, beerdigt, vor allem aber versteht sich Erwin Lang als Seelsorger. Wer ihm begegnet, spürt sogleich: Das ist einer, der die Menschen mag, der das Gebot der Nächstenli­ebe praktizier­t. Konstantin Hummel, früherer Rektor der Achtalschu­le und seit Langem 2. Vorsitzend­er des Kirchengem­einderats, sagt es so: „Pfarrer Lang ist ein Mensch mit großer Offenheit, großer Empathie. Er ist ein Seelsorger mit Leib und Seele, ein begnadeter Seelsorger. Die Menschen merken, dass sie ihm wichtig sind. Er kann mit Jung und Alt.“

Er sei ihr Lieblingsp­farrer, bekennt eine Frau, die viel rumgekomme­n ist. Und ähnlich äußern sich die Menschen in Baienfurt über diesen Menschenfr­eund, der Goethes Postulat, edel sei der Mensch, hilfreich und gut, so eindrucksv­oll in die Tat umsetzt.

„Wenn mir der Herr die Kraft gibt, würde ich schon noch ein paar Jahre weitermach­en“, blickt der 80-Jährige in die Zukunft.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Pfarrer Erwin Lang wurde kürzlich 80 Jahre alt.

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