Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Palästinen­ser hoffen auf die Unberechen­barkeit Trumps

- Von Inge Günther, Jerusalem

M ag Präsident Mahmud Abbas im eigenen Volk nur noch bedingt Rückhalt genießen, seinem Antrittsbe­such bei Donald Trump am Mittwoch im Weißen Haus messen die Palästinen­ser große Bedeutung bei. Es gehe, so Husam Zomlot, PLO-Gesandter in Washington, vor allem „um die historisch­e Gelegenhei­t für Frieden, die der US-Präsident präsentier­t“Anders ausgedrück­t: Alles hängt davon ab, ob sich Trump hinter eine Zwei-Staaten-Lösung stellt, hier Palästina, dort Israel.

Abbas hat sich ihr seit Langem verschrieb­en, nur beschränkt sich seine Macht auf das Westjordan­land. In Gaza herrschen seine Rivalen von der Hamas, die oft genug mit Terroransc­hlägen den Friedenspr­ozess zum Platzen brachten. In israelisch­en Augen ist Abbas, der nur für das halbe Volk sprechen könne, schon deshalb kein vollwertig­er Verhandlun­gspartner. Doch auch innerhalb der Hamas gibt es politische Richtungsk­ämpfe zwischen Militanten und Moderaten. Kein Zufall, dass Khaled Meschal gerade jetzt, kurz vor seinem Abgang als Politbüroc­hef im Exil, ein Reformpapi­er publik machte.

Ein palästinen­sischer Staat in den Grenzen von 1967, heißt es darin, gehöre zum nationalen Konsens, den man akzeptiere. Zu einer Anerkennun­g Israels mochten die palästinen­sischen Radikalisl­amisten sich zwar nicht durchringe­n. Dennoch rückt das Programm in einem weiteren Punkt von der alten Hamas-Charta mit ihren antisemiti­schen Ausfällen ab. So wird erklärt, man habe keinen Konflikt mit den Juden an sich, sondern mit dem „zionistisc­hen Projekt“ und seiner Besatzung Palästinas. Die israelisch­e Regierung zeigte sich unbeeindru­ckt. Sie seien nichts weiter als eine Art „Nebelversc­hleierung“ihrer wahren Absichten, sagte Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu.

Täglich nur vier Stunden Strom

Im Vorfeld seiner Reise nach Washington hatte der Palästinen­ser-Führer der Hamas Druck gemacht, indem er die finanziell­e Unterstütz­ung der Autonomieb­ehörden für den Gazastreif­en zusammenst­reichen ließ – zulasten der dort lebenden Bevölkerun­g. Abbas wollte damit wohl dem USPräsiden­ten demonstrie­ren, dass er es mit Islamisten aufnimmt. Die Hauptleidt­ragenden sind gewöhnlich­e Palästinen­ser, wenn in Gaza die meisten Haushalte nur vier Stunden täglich mit Strom versorgt werden und in Krankenhäu­sern nur noch Notdienste funktionie­ren. Für Abbas hat Priorität, mit Trump, der eine regionale Nahostkonf­erenz auf die Beine stellen will, ins Geschäft zu kommen. Er sehe „keinen Grund“, warum ein Frieden zwischen Israel und den Palästinen­sern nicht möglich sein solle, sagte der US-Präsident.

Viel Verständni­s für die komplexe Lage ließ der US-Präsident aber nicht erkennen. Bei Netanjahus Besuch im März hatte Trump dahingewor­fen, ihm sei einerlei, wie der „ultimative Deal“aussehe. Ob zwei Staaten oder ein Staat, er sei dafür, was beide Seiten wollten. Diese Meinung hat Trump inzwischen relativier­t. Eine unerwartet kritische Haltung bezog er indes zum israelisch­en Siedlungsb­au im Westjordan­land. Die Palästinen­ser hoffen, dass ihnen die Unberechen­barkeit des Republikan­ers zugutekomm­t.

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