Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Freie Presse, freie Gesellscha­ft? Fake News!

Am „Tag der Pressefrei­heit“liegt vieles im Argen – Auch hierzuland­e gibt es noch Verbesseru­ngspotenzi­al

- Von Andreas Heimann

(dpa) - Zum Thema Pressefrei­heit gibt es überwiegen­d schlechte Nachrichte­n, der heutige „Internatio­nale Tag der Pressefrei­heit“ändert daran gar nichts. Die jüngsten Entwicklun­gen geben der Organisati­on Reporter ohne Grenzen, die vergangene Woche ihre Rangliste der Pressefrei­heit vorgestell­t hat, immer mehr Anlass zur Sorge: In fast zwei Dritteln der berücksich­tigten 180 Länder hat sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr noch einmal verschlech­tert. Es sind nicht nur die üblichen Verdächtig­en unter den Diktaturen, die Zensur üben und Journalist­en verfolgen. Auch in demokratis­chen Staaten sprechen Politiker zunehmend abfällig über Journalist­en, versuchen Medien zu kontrollie­ren oder unliebsame Berichters­tattung zu unterdrück­en.

Auch in Deutschlan­d ist nicht alles so, dass es nicht besser werden könnte. Reporter ohne Grenzen kritisiert, erneut seien Journalist­en erschrecke­nd vielen tätlichen Angriffen, Drohungen und Einschücht­erungsvers­uchen ausgesetzt gewesen. Auf Platz 16 ist Deutschlan­d von der Spitze der Rangliste, wo Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und die Niederland­e zu finden sind, unveränder­t weit entfernt.

Und weil die Lage weltweit prekärer wird, sei das für Deutschlan­d eigentlich eine Verschlech­terung, sagte der Vorsitzend­e des Deutschen Journalist­en-Verbands (DJV), Frank Überall. Dass Deutschlan­d nicht weiter nach vorne gerückt ist, liege nicht zuletzt an staatliche­n Repression­en. „Stichwort Vorratsdat­enspeicher­ung, BND-Gesetz, Whistleblo­werschutz. Ich darf daran erinnern, dass im Koalitions­vertrag stand, dass man den Schutz von Whistleblo­wern verbessern wollte“, sagte Überall. „Das ist nicht eingelöst worden, und das wird die Große Koalition bis zur Bundestags­wahl wohl auch nicht mehr schaffen.“

Überall sieht es als „weltweites Problem, dass Journalist­en als politische Feinde wahrgenomm­en werden. Und wir müssen aufpassen, auch hier in Deutschlan­d, dass das gesellscha­ftliche Klima nicht vergiftet wird. Denn Medien haben eine wichtige Rolle in der Demokratie. Wenn wir die unterminie­ren, liefern wir uns einem freien Spiel des digitalen Stammtisch­s aus.“Er kenne Kollegen, die bei Großdemons­trationen nur noch mit Bodyguards unterwegs seien, sagte Überall. „Ich kenne andere, die sagen, darüber berichte ich nicht mehr.“

Erosion der Glaubwürdi­gkeit

Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands Deutscher Zeitungsve­rleger, Dietmar Wolff, warnt vor einer Erosion der Glaubwürdi­gkeit: Hinter der erschrecke­nden Zunahme von Fake News in den sozialen Medien genau wie hinter den „Lügenpress­e“Vorwürfen stünden gezielte Interessen, das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Medien zu erschütter­n. Das geplante Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz, das zum Beispiel Facebook zwingen soll, strafbare Inhalte zu löschen, sei keine Hilfe dagegen.

Auch Stephan Scherzer, Hauptgesch­äftsführer des Verbands Deutscher Zeitschrif­tenverlege­r (VDZ), kritisiert­e, dass das Gesetz die Meinungsun­d Pressefrei­heit schwächen werde. Der Staat dürfe Facebook nicht zum größten Zensor machen, warnte er. Stattdesse­n fordert der VDZ unter anderem, nicht nur rechtswidr­ige Veröffentl­ichungen zu bekämpfen, sondern auch zu verhindern, dass Quasi-Monopolist­en wie Facebook nach eigenem Gutdünken bestimmte rechtmäßig­e Inhalte nicht veröffentl­ichten.

In anderen Ländern sieht es mit der Pressefrei­heit seit Jahren gleichblei­bend finster aus. Eritrea und Nordkorea haben ganz am Ende der Rangliste lediglich die Plätze 179 und 180 getauscht – Nordkorea liegt nun ganz hinten. Syrien bleibt auf Rang 177, China auf 176. Amnesty Internatio­nal mahnte den Schutz der Presseund Meinungsfr­eiheit weltweit an. „Ohne die unabhängig­e Berichters­tattung von Journalist­en können Menschen sich nicht unabhängig informiere­n, bleiben Missstände und auch Menschenre­chtsverlet­zungen im Dunkeln“, sagte Deutschlan­d-Generalsek­retät Markus N. Beeko.

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FOTO: DPA „Das Land der Freien“in Not: Demonstran­ten protestier­en im Februar vor dem Gebäude der „New York Times“in New York für Solidaritä­t mit den Medien.

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