Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Freie Presse, freie Gesellschaft? Fake News!
Am „Tag der Pressefreiheit“liegt vieles im Argen – Auch hierzulande gibt es noch Verbesserungspotenzial
(dpa) - Zum Thema Pressefreiheit gibt es überwiegend schlechte Nachrichten, der heutige „Internationale Tag der Pressefreiheit“ändert daran gar nichts. Die jüngsten Entwicklungen geben der Organisation Reporter ohne Grenzen, die vergangene Woche ihre Rangliste der Pressefreiheit vorgestellt hat, immer mehr Anlass zur Sorge: In fast zwei Dritteln der berücksichtigten 180 Länder hat sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr noch einmal verschlechtert. Es sind nicht nur die üblichen Verdächtigen unter den Diktaturen, die Zensur üben und Journalisten verfolgen. Auch in demokratischen Staaten sprechen Politiker zunehmend abfällig über Journalisten, versuchen Medien zu kontrollieren oder unliebsame Berichterstattung zu unterdrücken.
Auch in Deutschland ist nicht alles so, dass es nicht besser werden könnte. Reporter ohne Grenzen kritisiert, erneut seien Journalisten erschreckend vielen tätlichen Angriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt gewesen. Auf Platz 16 ist Deutschland von der Spitze der Rangliste, wo Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und die Niederlande zu finden sind, unverändert weit entfernt.
Und weil die Lage weltweit prekärer wird, sei das für Deutschland eigentlich eine Verschlechterung, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall. Dass Deutschland nicht weiter nach vorne gerückt ist, liege nicht zuletzt an staatlichen Repressionen. „Stichwort Vorratsdatenspeicherung, BND-Gesetz, Whistleblowerschutz. Ich darf daran erinnern, dass im Koalitionsvertrag stand, dass man den Schutz von Whistleblowern verbessern wollte“, sagte Überall. „Das ist nicht eingelöst worden, und das wird die Große Koalition bis zur Bundestagswahl wohl auch nicht mehr schaffen.“
Überall sieht es als „weltweites Problem, dass Journalisten als politische Feinde wahrgenommen werden. Und wir müssen aufpassen, auch hier in Deutschland, dass das gesellschaftliche Klima nicht vergiftet wird. Denn Medien haben eine wichtige Rolle in der Demokratie. Wenn wir die unterminieren, liefern wir uns einem freien Spiel des digitalen Stammtischs aus.“Er kenne Kollegen, die bei Großdemonstrationen nur noch mit Bodyguards unterwegs seien, sagte Überall. „Ich kenne andere, die sagen, darüber berichte ich nicht mehr.“
Erosion der Glaubwürdigkeit
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, Dietmar Wolff, warnt vor einer Erosion der Glaubwürdigkeit: Hinter der erschreckenden Zunahme von Fake News in den sozialen Medien genau wie hinter den „Lügenpresse“Vorwürfen stünden gezielte Interessen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien zu erschüttern. Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das zum Beispiel Facebook zwingen soll, strafbare Inhalte zu löschen, sei keine Hilfe dagegen.
Auch Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), kritisierte, dass das Gesetz die Meinungsund Pressefreiheit schwächen werde. Der Staat dürfe Facebook nicht zum größten Zensor machen, warnte er. Stattdessen fordert der VDZ unter anderem, nicht nur rechtswidrige Veröffentlichungen zu bekämpfen, sondern auch zu verhindern, dass Quasi-Monopolisten wie Facebook nach eigenem Gutdünken bestimmte rechtmäßige Inhalte nicht veröffentlichten.
In anderen Ländern sieht es mit der Pressefreiheit seit Jahren gleichbleibend finster aus. Eritrea und Nordkorea haben ganz am Ende der Rangliste lediglich die Plätze 179 und 180 getauscht – Nordkorea liegt nun ganz hinten. Syrien bleibt auf Rang 177, China auf 176. Amnesty International mahnte den Schutz der Presseund Meinungsfreiheit weltweit an. „Ohne die unabhängige Berichterstattung von Journalisten können Menschen sich nicht unabhängig informieren, bleiben Missstände und auch Menschenrechtsverletzungen im Dunkeln“, sagte Deutschland-Generalsekretät Markus N. Beeko.