Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein neuer Blick auf Sepp Mahler
Museum im Kornhaus in Bad Waldsee versammelt Arbeiten, die bislang nur selten zu sehen waren
- Sepp Mahler (19011975) gilt als einer der prominenten Künstler in der Region Oberschwaben. Seine Arbeiten waren schon in vielen Ausstellungen landauf landab zu sehen. Bekannt ist er vor allem für seine stimmungsvollen Moorbilder, in denen er das Wurzacher Ried und seine besondere Vegetation auf Leinwand und Papier bannte. Umso mehr überrascht die neue Schau im Kornhaus in Bad Waldsee. Unter dem Titel „Sepp Mahler – fremd und fröhlich“ist jetzt die heitere Seite des Künstlers zu entdecken.
Sepp Mahler war zu Lebzeiten ein Außenseiter und galt in seiner Heimatgemeinde Wurzach als schräger Vogel. Nicht nur weil er von Beruf freischaffender Maler und Poet war, sondern auch, weil er von 1923 bis 1929 auf der Straße ein Vagabundenleben geführt hatte. Längst weiß man sein umfassendes Werk mit 5000 Arbeiten – davon allein 4800 auf Papier – zu schätzen. Denn der Künstler zählt zu den wenigen Oberschwaben, die sich früh dem Expressionismus zuwandten und die kubistische Formensprache für sich entdeckten. Er war ein melancholischer Mensch und entsprechend düster sind viele seiner Bilder. Erst als Mitte der 1950er-Jahre die Ankäufe und Ausstellungen zunahmen, hellte sich seine Farbpalette merklich auf, und seiner Motive wurden fröhlicher.
Selbstporträts zum Auftakt
Die neue Ausstellung des Museumsund Heimatvereins, dessen Mitglieder Uwe Degreif vom Museum Biberach bei der Auswahl und Hängung als auch beim Verfassen der Wandtexte fachlich unterstützt hat, konzentriert sich bewusst auf diese beschwingte Seite in Mahlers Leben. Sie versammelt 60 Arbeiten aus verschiedenen Jahrzehnten. Allesamt stammen sie aus dem Nachlass der Tochter Adelgund Mahler und wurden für die Schau thematisch gruppiert. Manche sind auf Reisen entstanden, manche daheim im Atelier. Manche waren schon in anderem Zusammenhang zu sehen, manche wurden noch nie präsentiert.
Schon der Auftakt überrascht. Zu entdecken sind zwei Selbstporträts, eines davon zeigt Mahler als lebenslustigen Wandersmann vor einem rosafarbenen Himmel. Das Ölkreidebild gehört zu einer bislang eher unbekannten Mappe, die 1973 auf einer Reise durch Spanien, Portugal und den Norden Marokkos entstanden ist, und die in Waldsee erstmals komplett vorgestellt wird. Karge Landschaften, ländliche Szenen und Köpfe von Männern und Frauen hält er in erstaunlich leuchtenden Farben fest. Fast alles formt er aus Dreiecken.
Seine früheren Arbeiten sind im Vergleich dazu lange nicht so farbenfroh. Vor allem war der Künstler „durch und durch Zeichner“, sagt Degreif. Tatsächlich umgrenzt er meistens mit schwarzen Linien die Formen. Mittels Strichen schafft er Helligkeit und Dunkelheit. Ein schönes Beispiel dafür sind seine vier frühen Südtiroler Berglandschaften von 1925. Sie zeigen Täler und Bergmassive in Blau- und Grün-Tönen, aber auch Gesichter. Denn Mahler sah in den Gipfeln die Berggeister wohnen.
Fantasievolle Miniaturwelt
Diese Erzählfreude findet sich dann viel später in seinen bezaubernden Aquarellen wieder, die an Paul Klee erinnern und doch eigenständig sind. Hier schichtet der Wurzacher waagrechte Streifen in verschiedenen Farben übereinander und legt mit feinem Tuschestrich eine Miniaturwelt aus Häusern, Bäumen, Sonne, Mond und Sternen darüber. Ähnlich fantasievoll sind auch seine Mensch-Pflanzen-Wesen aus den frühen 1960er-Jahren. Die Figuren sind hier extrem lang und dünn. Sterne, Blätter und Sporen wirbeln um sie herum. Manche tragen ein Kreuz, andere einen Spazierstock und weisen „auf die Lebensaufgabe des Künstlers hin: den Menschen in die Natur zurückzuführen“, wie Degreif erklärt. Tatsächlich war Sepp Mahler ein Leben lang auf der Suche nach einer Gegenwelt zu unserer Zivilisation.
Entstanden sind diese Blätter in Auseinandersetzung mit dem Passionsmotiv, als Sepp Mahler 1958 die Möglichkeit bekam, für die Aussegnungshalle in Wurzach ein Wandbild zu entwerfen. Ein weiteres christliches Motiv in stark abstrahierter Form – diesmal die Schöpfungsgeschichte – findet sich in seinen außergewöhnlichen Kartonschnitten, bei denen er aus dunklen Linien eine netzartige Struktur schafft. Womit wir wieder beim „durch und durch Zeichner“wären. Die Ausstellung im Kornhaus wirft einen neuen Blick auf den oberschwäbischen Künstler.
Öffnungszeiten: Fr.-So. 13.30-17.30 Uhr, Pfingstmontag geöffnet. Nächste Führung ist am 10. Juni um 15 Uhr.