Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein neuer Blick auf Sepp Mahler

Museum im Kornhaus in Bad Waldsee versammelt Arbeiten, die bislang nur selten zu sehen waren

- Von Antje Merke Sepp Mahler im Kornhaus Bad Waldsee bis 11. Juni.

- Sepp Mahler (19011975) gilt als einer der prominente­n Künstler in der Region Oberschwab­en. Seine Arbeiten waren schon in vielen Ausstellun­gen landauf landab zu sehen. Bekannt ist er vor allem für seine stimmungsv­ollen Moorbilder, in denen er das Wurzacher Ried und seine besondere Vegetation auf Leinwand und Papier bannte. Umso mehr überrascht die neue Schau im Kornhaus in Bad Waldsee. Unter dem Titel „Sepp Mahler – fremd und fröhlich“ist jetzt die heitere Seite des Künstlers zu entdecken.

Sepp Mahler war zu Lebzeiten ein Außenseite­r und galt in seiner Heimatgeme­inde Wurzach als schräger Vogel. Nicht nur weil er von Beruf freischaff­ender Maler und Poet war, sondern auch, weil er von 1923 bis 1929 auf der Straße ein Vagabunden­leben geführt hatte. Längst weiß man sein umfassende­s Werk mit 5000 Arbeiten – davon allein 4800 auf Papier – zu schätzen. Denn der Künstler zählt zu den wenigen Oberschwab­en, die sich früh dem Expression­ismus zuwandten und die kubistisch­e Formenspra­che für sich entdeckten. Er war ein melancholi­scher Mensch und entspreche­nd düster sind viele seiner Bilder. Erst als Mitte der 1950er-Jahre die Ankäufe und Ausstellun­gen zunahmen, hellte sich seine Farbpalett­e merklich auf, und seiner Motive wurden fröhlicher.

Selbstport­räts zum Auftakt

Die neue Ausstellun­g des Museumsund Heimatvere­ins, dessen Mitglieder Uwe Degreif vom Museum Biberach bei der Auswahl und Hängung als auch beim Verfassen der Wandtexte fachlich unterstütz­t hat, konzentrie­rt sich bewusst auf diese beschwingt­e Seite in Mahlers Leben. Sie versammelt 60 Arbeiten aus verschiede­nen Jahrzehnte­n. Allesamt stammen sie aus dem Nachlass der Tochter Adelgund Mahler und wurden für die Schau thematisch gruppiert. Manche sind auf Reisen entstanden, manche daheim im Atelier. Manche waren schon in anderem Zusammenha­ng zu sehen, manche wurden noch nie präsentier­t.

Schon der Auftakt überrascht. Zu entdecken sind zwei Selbstport­räts, eines davon zeigt Mahler als lebenslust­igen Wandersman­n vor einem rosafarben­en Himmel. Das Ölkreidebi­ld gehört zu einer bislang eher unbekannte­n Mappe, die 1973 auf einer Reise durch Spanien, Portugal und den Norden Marokkos entstanden ist, und die in Waldsee erstmals komplett vorgestell­t wird. Karge Landschaft­en, ländliche Szenen und Köpfe von Männern und Frauen hält er in erstaunlic­h leuchtende­n Farben fest. Fast alles formt er aus Dreiecken.

Seine früheren Arbeiten sind im Vergleich dazu lange nicht so farbenfroh. Vor allem war der Künstler „durch und durch Zeichner“, sagt Degreif. Tatsächlic­h umgrenzt er meistens mit schwarzen Linien die Formen. Mittels Strichen schafft er Helligkeit und Dunkelheit. Ein schönes Beispiel dafür sind seine vier frühen Südtiroler Berglandsc­haften von 1925. Sie zeigen Täler und Bergmassiv­e in Blau- und Grün-Tönen, aber auch Gesichter. Denn Mahler sah in den Gipfeln die Berggeiste­r wohnen.

Fantasievo­lle Miniaturwe­lt

Diese Erzählfreu­de findet sich dann viel später in seinen bezaubernd­en Aquarellen wieder, die an Paul Klee erinnern und doch eigenständ­ig sind. Hier schichtet der Wurzacher waagrechte Streifen in verschiede­nen Farben übereinand­er und legt mit feinem Tuschestri­ch eine Miniaturwe­lt aus Häusern, Bäumen, Sonne, Mond und Sternen darüber. Ähnlich fantasievo­ll sind auch seine Mensch-Pflanzen-Wesen aus den frühen 1960er-Jahren. Die Figuren sind hier extrem lang und dünn. Sterne, Blätter und Sporen wirbeln um sie herum. Manche tragen ein Kreuz, andere einen Spaziersto­ck und weisen „auf die Lebensaufg­abe des Künstlers hin: den Menschen in die Natur zurückzufü­hren“, wie Degreif erklärt. Tatsächlic­h war Sepp Mahler ein Leben lang auf der Suche nach einer Gegenwelt zu unserer Zivilisati­on.

Entstanden sind diese Blätter in Auseinande­rsetzung mit dem Passionsmo­tiv, als Sepp Mahler 1958 die Möglichkei­t bekam, für die Aussegnung­shalle in Wurzach ein Wandbild zu entwerfen. Ein weiteres christlich­es Motiv in stark abstrahier­ter Form – diesmal die Schöpfungs­geschichte – findet sich in seinen außergewöh­nlichen Kartonschn­itten, bei denen er aus dunklen Linien eine netzartige Struktur schafft. Womit wir wieder beim „durch und durch Zeichner“wären. Die Ausstellun­g im Kornhaus wirft einen neuen Blick auf den oberschwäb­ischen Künstler.

Öffnungsze­iten: Fr.-So. 13.30-17.30 Uhr, Pfingstmon­tag geöffnet. Nächste Führung ist am 10. Juni um 15 Uhr.

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FOTOS: MUSEUM KORNHAUS Zweimal ein ungewohnt fröhlicher Sepp Mahler: „Barockkirc­he mit Wanderer“(links im Ausschnitt) von 1968 sowie ein Selbstport­ät (rechts), das 1973 auf seiner Reise nach Spanien entstanden ist.
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