Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Leichtes Lesevergnügen für Thriller-Freunde
Im neuen Roman von John Grisham geht es um Bestechung im Justizsystem
N icht nur Kritiker bescheinigen John Grisham, dass bei seinen Justiz-Thrillern eine gewisse Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen sei. Tatsächlich gibt es eine Reihe wiederkehrender Themen in den meist jährlich erscheinenden Büchern des US-amerikanischen Erfolgsautors: Ungerechtigkeiten und Lücken im Justizsystem, unkonventionelle Charaktere und das bewährte „David gegen Goliath“Motiv.
Allerdings gelingt es dem 62-Jährigen auch regelmäßig, sich diesen klassischen Themen mit einem immer wieder neuen Zugang zu nähern. In „Bestechung“ist dies eine recht obskure Behörde in Florida, das Board on Judicial Conduct (BJC). Dieses soll den Richtern im Bundesstaat auf die Finger schauen, ist dabei aber chronisch unterfinanziert. Nun könnten bereits die kleineren und größeren menschlichen und beruflichen Schwächen der Richterschaft Grundlage für einen unterhaltsamen Roman bieten, aber unterhalb des „korruptesten Richter in der Geschichte der Vereinigten Staaten“macht es Grisham hier natürlich nicht. Material zu diesem Fall wird dem BJC von einem geheimnisvollen Informanten angeboten, und die beiden Anwälte Lacy Stoltz und Hugo Hatch nehmen die Spur auf.
Keineswegs langweilig
Ihr Kontakt Greg Myers entpuppt sich ebenfalls als Anwalt, allerdings als einer mit recht bewegter Vergangenheit. Der auf einem Boot hausende Myers fungiert als Mittelsmann eines Mittelmanns, der wiederum direkten Kontakt zu einem Insider hält, der bereit ist, eine hochangesehene Richterin zu verpfeifen (im Original heißt der Roman dann auch „The Whistler“). Die beiden eher KleinKlein gewöhnten Ermittler sind zunächst skeptisch, können sich der Faszination und Dimension des Falls aber kaum entziehen. Hier handelt es sich um keine alltägliche Beziehung, denn die Richterin steht bei einem fast spurlos agierenden Mafia-Syndikat auf der Gehaltsliste. Das wiederum bezieht einen Teil seiner Einnahmen aus einem auf dem Gebiet eines Indianerreservats gelegenen Spielkasino. Ermittlungen sind dort allerdings schwierig – denn das Reservat verfügt über seine eigene Polizeigewalt.
Stoff hat Grisham somit genug, andere Autoren würden aus diesem Ausgangsmaterial locker gleich drei Romane stricken. Langweilig wird das Geschehen somit nicht, wie bei einigen seiner zuletzt erschienenen Bücher überkommt den Leser aber das Gefühl, dass das Potenzial der Geschichte nicht voll ausgereizt wird. Dass Grisham-Romane teils recht abrupt enden, als hätte die jährliche Deadline einem runderen Schluss im Wege gestanden, ist man mittlerweile schon gewohnt. Allerdings erhält auch die Figur der korrupten Richterin bis zuletzt recht wenig Kontur. Dafür ist Grisham wieder eine selbstbewusste weibliche Hauptfigur gelungen, die für eine angedeutete Romanze nur am Rande ihrer Arbeit Zeit hat. In einem recht dramatischen Mittelteil erhöht sich der Einsatz für die Beteiligten zudem erheblich.
Faszinierend aufbereitet
Weiterhin schafft es der Autor erneut, auch die technischen Aspekte der organisierten Kriminalität – hier vor allem die Geldwäsche – für den Leser faszinierend aufzubereiten. Der Bundesstaat Florida mit seinen endlosen Investitionsmöglichkeiten für Apartmentkomplexe, Ferienanlagen und andere Freizeiteinricht0ungen wird so als Spielplatz für kriminelle Goldgräber gezeichnet. Die Verbindung von Glücksspiel und Indianerreservat sorgt ebenfalls für ein neues Szenario. Bevölkert wird die Handlung mit typischen GrishamCharakteren, die der Autor wohl auch im Schlaf schreiben könnte, wie Lacys poltriger Bruder Gunther.
So bietet „Bestechung“wieder ein leichtes Lesevergnügen für ThrillerFreunde. Dass man über einige Aspekte und Figuren gerne noch mehr erfahren hätte, spricht zumindest dafür, dass Grisham auch in seinem 29. Justizroman – entgegen aller Kritik – die Ideen noch nicht ausgegangen sind. John Grisham: Bestechung, Heyne Verlag, 448 Seiten, 22,99 Euro.