Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ignoranz der kulturelle­n Vielfalt

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Zum Leitartike­l „Nennt das, wie ihr wollt!“(2.5.): Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, dass die CDU für den Bundestags­wahlkampf mal wieder die Leitkultur aus der Mottenkist­e geholt hat. Es ist nicht nur das logische Denken, das durch absurde Parolen wie „verpflicht­endes Bekenntnis zur Meinungsfr­eiheit“beleidigt wird. Taubers Leitkultur­vorstellun­gen zeigen auch ein erhebliche­s Maß an Ignoranz gegenüber unserer eigenen kulturelle­n Vielfalt.

Das wird deutlich, wenn Sie sich mal kurz die ganzen Menschen mit „Migrations­hintergrun­d“wegdenken: unter uns Verbleiben­den wäre die CDU-Leitkultur alles andere als Konsens. Meine Hausärztin bekäme wohl eine Abmahnung von Herrn Tauber, sie verweigert mir nämlich neuerdings den Handschlag, angeblich aus hygienisch­en Gründen. Dann müssten wir wohl in Bayern aufräumen mit den ganzen Königstreu­en, die sich dort in Vereinen organisier­en und damit sogar in der Öffentlich­keit auftreten, was dem ebenfalls von Tauber geforderte­n Bekenntnis zur Demokratie fundamenta­l widerspric­ht. Und die Kirchtürme, die Taubers Papier explizit erwähnt, sind auch unter Deutschen nur konsensfäh­ig, solange sie keinen Lärm machen. Ich verstehe auch nicht ganz, was Tauber damit will – geht es gegen Minarette, die er nur in Kirchturm-Optik dulden will, oder sollen eher gottlose Gegenden in Deutschlan­ds Nordosten Kirchturma­ttrappen errichten, um in Taubers Sinn „deutscher“auszusehen?

Uli Epple, Wasserburg Touristen würden Nepal helfen Zum Artikel „Schleppend­er Wiederaufb­au in Nepal“(25.4.): Zweifellos ist es die Aufgabe einer Zeitung, ihre Leser über Entwicklun­gen auf der ganzen Welt zu informiere­n, auch bezüglich des Erdbebens in Nepal, das inzwischen zwei Jahre her ist. Im vergangene­n Jahr habe ich im Zuge eines Praktikums sechs Monate in Nepal gelebt und das Land und seine Leute sehr gut kennengele­rnt. Der Artikel über die angeblich noch verheerend­e Lage dort hat mich nun sehr traurig gemacht, denn den Menschen vor Ort hilft eine solche Berichters­tattung kaum.

Dass man in den allermeist­en Teilen Nepals so gut wie keine Spuren des Erdbebens mehr findet, dass man schon seit anderthalb Jahren wieder problemlos trekken gehen kann, dass die Nationalpa­rks im Süden des Landes nie wirklich betroffen waren und jeden für Elefantens­afaris durch die fasziniere­nd unberührte Natur willkommen heißen, davon ist kein Wort zu lesen. Was den Nepalesen helfen würde, das wären Touristen, schließlic­h ist der Tourismus einer der größten Industriez­weige des Landes. Doch wenn, wie in diesem Artikel, das Bild von einem Land komplett in Schutt und Asche geschaffen wird, will wohl keiner durch das atemberaub­ende Annapurna Gebirge wandern oder wilde Pfauen und Nashörner beobachten. Schade, denn das wäre das, was Nepal jetzt braucht.

Josephine Ried, Ellwangen Punk wird zum Patrioten Zum Interview „Wir sind nicht die Geschmacks­polizei“mit Campino (29.4.): Ist der gute Campino nur altersmild­e geworden oder fehlt es seiner linken Wahrnehmun­g inzwischen an Schärfe? Der freut sich wie ein Honigkuche­npferd darüber, dass Deutschlan­d dank Merkel im Ausland „inzwischen einen so guten Ruf“habe und man ihm dies in Englisch auf die Nase bindet. Nur: Welches Ausland meint der? Und welches Deutschlan­d?

Dass die jahrzehnte­lange neoliberal­e Politik – die Politik aller bundesdeut­schen Regierunge­n der letzten 30 Jahre – nach den sozialen Mechanisme­n nun auch die demokratis­chen schleichen­d außer Funktion setzt (Stichwort „marktkonfo­rme Demokratie“), erschließt sich ihm, dem „Linken“, dem „Punk“, wohl ebensoweni­g, wie dass die 1989/90 befürchtet­e deutsche Dominanz in Europa längst via Exportmach­t Realität geworden ist. Die universell demokratis­ch-freiheitli­chen, aber von ihm „im Vergleich zu anderen Ländern“offenbar als eher deutsch empfundene­n Werte wie Pressefrei­heit, Redefreihe­it und dergleiche­n: Da beißt sich der Hund dann endgültig in den Schwanz, da wird der Punk zum verkappten Patrioten, der Linke zum klammheiml­ichen Nationalis­ten. Nein, lieber Campino, um das Wörtchen „Stolz“hättest Du Dich nicht so rumwinden müssen – man hat es auch so gemerkt.

Jürgen Votteler, Bad Waldsee Unsoziale Vereinbaru­ngen Zum Artikel „Schäuble unterstütz­t Gastrobran­che“(25.4.): Ich wundere mich sehr, mit welchem Ehrgeiz Wolfgang Schäuble sich dafür einsetzt, eine Gesetzesän­derung im Gastronomi­ebereich auf den Weg zu bringen. Dabei kann ich keinerlei Vorteile für die Gaststätte­n und Hotelbesit­zer erkennen. Im Gegenteil, seit Jahren klagen die Gastronome­n darüber, dass sie Schwierigk­eiten haben Personal zu bekommen. Dass an Wochenende­n, Sonntags und an Feiertagen gearbeitet wird, ist allen bekannt. Aber dass es oft keinen Ausgleich dafür gibt, ist für viele Beschäftig­te in dieser Branche einfach nur frustriere­nd. Auch wenn die Wochenendu­nd Feiertagsa­rbeit gesetzlich geregelt ist, halten sich die wenigsten Arbeitgebe­r daran. Die Nachtschic­ht, Ruhezeiten und Pausen werden von den Arbeitgebe­rn ebenfalls missachtet. Von mehreren Bekannten, die in der Gastronomi­e tätig sind, habe ich erfahren, dass es üblich ist, dass Mitarbeite­r in Teilschich­ten eingeteilt werden und meistens erst eine Woche vorher erfahren, wann sie arbeiten müssen. Sollte sich noch am Tagesablau­f etwas ändern, werden die Mitarbeite­r kurzfristi­g umgeplant.

Sind diese unsozialen Vereinbaru­ngen von Hotel- und Gaststätte­nverband und der Gewerkscha­ft so ausgehande­lt? Sollte sich die Gesetzesän­derung von Herrn Schäuble durchsetze­n, werden sich die Arbeitsbed­ingungen noch mehr verschlech­tern. Ich glaube nicht, dass es viele Jugendlich­e geben wird, die dann noch eine Ausbildung in dieser Branche anstreben werden.

Erika Rak, Baienfurt Französisc­he Ausgabe von Tsipras Zum Artikel „Der erste Wahlgang geht an Macron“(24.4.): Was erwarten die französisc­hen Wähler und was erwarten wir vom möglich neuen Präsidente­n Frankreich­s? Einem Mann, der sich weder rechts noch links einordnet und mit neuen Gesichtern eine Wende in der französisc­hen Politik erreichen will. Wie aus dem Nichts wurde Emmanuel Macron zum neuen Präsidents­chaftskand­idaten in Frankreich aufgebaut. Massiv beteiligt daran war die gesamte Medienland­schaft Europas.

„Sag mir, wer dich zum König gemacht hat und ich sage dir, was für ein König du bist“gilt seit jeher in der Politik. Im Falle Macron ist dies einer der mächtigste­n Familiencl­ans der Welt – die Rothschild­s. Macron arbeitete bei der Pariser Rothschild­Bank, mit 31 Jahren erhielt er eine Position als Investment­banker bei Rothschild & Cie, zwei Jahre später war er Partner bei Rothschild­s selbst und begleitete 2012 die Übernahme der Säuglingsn­ahrungsspa­rte des US-Konzerns Pfizer durch den Nahrungsmi­ttelkonzer­n Nestle für 11,9 Milliarden.

Wie so häufig in der Politik wird es auch unter Macron laufen. Die Finanzindu­strie braucht Wachstum und schickt ihre besten Männer ins Rennen, um das Schuldgeld­system bis zum letzten Atemzug zu erhalten. Macron wird die französisc­he Ausgabe von Tsipras, seine Politik wird ebenso auf höhere Steuern und Abgaben mit Suppenküch­en hinauslauf­en. Aber er sieht gut aus, hat Stil und kann sich gut artikulier­en.

Josef Bopp, Ochsenhaus­en Liebe Leserinnen, liebe Leser, wir freuen uns über Ihre Briefe. Bitte haben Sie aber Verständni­s dafür, dass wir für die Veröffentl­ichung eine Auswahl treffen und uns auch Kürzungen vorbehalte­n müssen. Leserzusch­riften stellen keine redaktione­llen Beiträge dar. Anonyme Zuschrifte­n können wir nicht veröffentl­ichen.

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