Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hälfte der Touristenu­nterkünfte illegal

So manche „Suite“in Rom entpuppt sich als zweckentfr­emdet und ungeeignet

- Von Thomas Migge

ROM - Wer im historisch­en Zentrum lebt, in der malerische­n Altstadt mit antiken Ruinen und Barockkirc­hen, wundert sich seit Jahren darüber, dass aus immer mehr Geschäften und Kellerräum­en Unterbring­ungsmöglic­hkeiten für Touristen werden. Wie etwa in der Via Palermo zwischen Staatsoper, Innenminis­terium und dem Quirinalsp­alast, wo der Staatspräs­ident residiert.

Ein kleiner Feinkostla­den schloss – und nach einigen Monaten Renovierun­gsarbeiten wurden die Räumlichke­iten, rund 40 Quadratmet­er, neu genutzt – als „Hotelsuite“. So jedenfalls wird die Räumlichke­it auf der Webseite eines Hotels beworben. Der Zugang erfolgt durch eine Glastür direkt auf den Bürgerstei­g. Diese Glastür und das ehemalige Schaufenst­er, jetzt das Fenster des „Hotelzimme­rs“, sind mit Gardinen verhängt. Andere Lichtquell­en ins Innere gibt es nicht. Damit an warmen und heißen Tagen und Nächten, wenn die Touristen das Fenster oder die Glastür nur zur Straße hin öffnen können, keine Unberechti­gten ins Zimmer kommen, wurden Gitter installier­t. Nicht schön, aber nützlich.

Wer in so einer „Suite“nächtigt, ist entweder auf die Klimaanlag­e angewiesen oder aber muss mit dem Lärm der Straße leben. Und mit neugierige­n Blicken, wenn die Gardine nicht komplett zugezogen ist. Viele Römer, die im „centro storico“leben, fragen sich seit Langem, ob diese vielen neuen Unterkünft­e, die der Tageszeitu­ng „la Repubblica“zufolge „wie Pilze aus dem Boden schießen“, überhaupt legal sind. Jetzt gibt es eine offizielle Antwort auf diese Frage. Die „Guardia di Finanza“, Italiens Finanzpoli­zei, hat in den vergangene­n Monaten Roms Touristenu­nterkünfte unter die Lupe genommen. Das Resultat ist schockiere­nd: Dem Schwarzbuc­h der Finanzpoli­zei zufolge sind mindestens 50 Prozent aller Touristenu­nterkünfte im historisch­en Rom illegal.

Allein von den 661 Bed-andBreakfa­st-Unterkünft­en, die von den Beamten zwischen März und April dieses Jahres kontrollie­rt wurden und die in den vergangene­n zwei Jahren eröffnet wurden, sind fast 60 Prozent illegal. Sie wurden ohne städtische Genehmigun­g in Betrieb genommen und ohne dass städtische Behörden überprüfen konnten, ob die entspreche­nden Räumlichke­iten für die Unterbring­ung von Gästen geeignet sind.

In Hunderten von Fällen entdeckten die Finanzbeam­ten B&B-, Airbnb- und Extraräume für Hotels in Kellern. Mit Fenstern, fast immer extrem klein, die zum Bürgerstei­g hin geöffnet sind. In einem drastische­n Fall im Stadtteil Trastevere wirbt ein Römer für sein „Loft“– einen riesigen Kellerraum ohne Lüftung und mit nur einem kleinen Fenster.

Auch zahlreiche Hotels sind illegal eröffnet worden, vor allem von süditalien­ischen Unternehme­n. In diesen Fällen ermittelt die Finanzpoli­zei wegen des Verdachts von Geldwäsche. Mafiaclans investiere­n ihre schmutzige­n Gelder mit Vorliebe in die römische Hotelindus­trie.

Für Rom-Besucher ist es schwierig herauszufi­nden, ob ihre Unterkunft legal ist oder nicht, ob sie überhaupt die Bedingunge­n für die Unterbring­ung von Gästen erfüllt. Auch illegale Unterkünft­e werben für sich auf den bekannten legalen Webseiten. Der beste Tipp: nur Angebote buchen, die auf deutlichen Fotos zeigen, wo sich die Gästezimme­r befinden und wie diese ausgestatt­et sind. Oder einfach nachfragen, um auf Nummer sicher zu gehen, dass man nicht im Keller oder ebenerdig hausen muss.

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FOTO: DPA Ewiges Rom: Sehenswürd­igkeiten wie die Engelsburg locken Touristen, an denen alle verdienen wollen.

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