Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Bewusstseinserweiterndes“Südtirol
Verleger Hermann Gummerer lädt seine Zuhörer auf eine Lese- und Sinnesreise ein
Schlossberg
- Einen langen und abwechslungsreichen Abend mit vielen Büchern, viel Information, viel Schmunzeln und Lachen, dazu Südtiroler Köstlichkeiten haben etwa 50 Gäste am Freitagabend in der Ulrich’schen Buchhandlung in Riedlingen erlebt. Hermann Gummerer aus Bozen erzählte anhand von rund 30 Büchern aus dem Folio-Verlag über seine Heimat Südtirol und machte so Lust aufs Lesen und Reisen.
Inmitten all der Bücherregale der Ulrich’schen Buchhandlung stehen Stühle. Leise Akkordeonmusik ist zu hören. Neben dem Eingang ein Tischchen mit Bergfoto, Schüttelbrot, Weinflasche – und einem kleinen Berg Bücher mit farbigen Lesemarkierungen. „Ich liebe Südtirol“, sagt eine der Damen, die Platz nehmen. „Wir fahren nächste Woche nach Südtirol. Da möchte ich mir noch ein paar Anregungen holen“, erklärt einer der wenigen Herren.
Und solche Anregungen und Tipps gibt es dann zuhauf. Hermann Gummerer kann spannend erzählen, weiß die Hintergründe, kennt die Geschichten hinter der Geschichte des Landes. Zwischendurch verblüfft Gummerer die Zuhörer mit einem Stückchen besonderer Schokolade für jeden zum Probieren, einem Kistchen mit Almwiesenheu zum Schnuppern, einem vergoldeten Handlauf zum Erspüren der Geschichte. Er verteilt kleine Löffel an jeden seiner Zuhörer und gibt mehrere kleine Schälchen durch die Reihen. Eine „bewusstseinserweiternde Substanz“würden sie enthalten, sagt er mit weichem Südtiroler Anklang in der Stimme. Staunen und Lachen.
Birnenmehl ist es dann in der Realität, hergestellt als Süßigkeit mit exquisitem Geschmack aus einer besonderen Birnenart der Region. Eineinhalb Stunden sind überaus wohl gefüllt. Und zum Schluss bleibt Zeit für Gespräche, Fragen und Blättern in den Büchern bei einem Glas Wasser oder Südtiroler Rotwein, dazu Schüttelbrotstücke, Speck und Käse. Die entspannte Atmosphäre des Abends hält sich.
Seine Präsentation beginnt Gummerer mit Zahlen und Fakten zu seiner Heimat. Er spricht von der geringen Fläche der Region im Vergleich zu Baden-Württemberg. Aus dem Publikum der Zwischenruf: „Platt gewalzt ist es mehr!“Lachen auf beiden Seiten. 60 Prozent der Fläche lägen in über 1600 Metern Höhe, mit der Konsequenz: „Alles, was sich nutzen lässt, ist extrem genutzt.“
Und als „enorme Bereicherung“beschreibt Hermann Gummerer die zwei so unterschiedlichen Kulturkreise Südtirols: der deutsch- und der italienisch-sprachige. Die italienische Mentalität präge inzwischen den Alltag deutlich. Auch die Schwierigkeiten dabei finden ihren Platz in seinem Erzählen: Das Deutschsprechen sei eine Zeit lang verboten gewesen, deutsche Familiennamen italienisiert worden. Bis zu Terrorakten sei die Antipathie gegangen. In seinem heimatlichen 750Seelen-Dorf habe es genau zwei Italiener gegeben: die Lehrerin für Italienisch und den Carabinieri. „Das Ganze hat nicht so richtig funktioniert“, ergänzt er. Eine weitreichende Autonomie von Rom sei inzwischen erreicht und das sieht er als „Riesenvorteil“. Die Zugehörigkeit sei jedoch meist am Tragen des Eheringes erkennbar: Italienisch-Sprachige trügen ihn links, Deutsch Sprechende rechts.
Der Folio-Verlag möchte mit seinen Büchern das Gute von beiden Seiten darstellen und verstärken. So finden sich in dem neben ihm liegenden Bücherstapel vom Reiseführer für das Wandern mit Kindern, über den Weinanbau in Außenseiterbetrieben bis zu Bauwerken, Museen und Reinhold Messner für jeden Geschmack etwas. Auch Hermann Gummerers Insider-Tipps über das Marmordörfchen Laas, Radtouren durch das blühende Vintschgau, die Routen durch Bozen abseits der üblichen Touristenwege bis zur Herkunft des berühmten Specks sind vom Wissen und der Empathie geprägt. Er hangelt sich an seinen Karteikarten entlang, aber erzählt, berichtet, schildert. So entstand keine Lesung im eigentlichen Sinne. Und er machte richtig Lust darauf, seine Heimat zu erkunden.