Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der brennt
College-Stürmer Frederik Tiffels überzeugt Marco Sturm und ist bei der Eishockey-WM dabei
- Zwei Tore und eine Vorlage in zwei Worte packen? Marco Sturm ist das gelungen nach dem 3:2 der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft in Ravensburg gegen Lettland. Zwei Tore und eine Vorlage hatte Frederik Tiffels zum Sieg im letzten WM-Test beigesteuert, aus Gegenspielern Statisten gemacht bei seinen Soli vor 1:0 und 2:0. Und jetzt sollte der Bundestrainer diesen 21-Jährigen charakterisieren, der für die Western Michigan University College-Eishockey spielt seit 2014, der ohne ein Länderspiel zur Weltmeisterschaftsvorbereitung angereist war, der schon am Vortag beim 3:4 nach Verlängerung frech per Bauerntrick gegen die Letten getroffen hatte. Marco Sturm lächelte. „Der“, sagte er dann, „brennt!“
Brennen muss, wer – in Köln geboren – bereits in jungen Jahren das Beste aus allen Eishockey-Welten mitzunehmen versucht: Schüler-Bundesliga spielte Frederik Tiffels für den Krefelder EV, den Kölner EC und die Jungadler Mannheim, Meister der Deutschen Nachwuchs-Liga war er „und gerade 17 geworden“, als er zu den Muskegon Lumberjacks in die USHL wechselte, die wichtigste Juniorenliga der Staaten. „Ich hab’ da auch meinen Highschool-Abschluss gemacht.“Der, gemeinsam mit Frederik Tiffels’ Talent, eröffnete Möglichkeiten: „Mich haben ungefähr 15 Unis angefragt.“Studium plus Sport per Stipendium – die Wahl fiel auf Kalamazoo, auf „Business and Finance“, auf die WMU, auf deren „Broncos“.
Marco Sturm schaute genauer hin fortan, hat „ihn in den letzten Jahren drüben so ein bisschen verfolgt“. Registrierte, als Frederik Tiffels 2015 – als einziger Deutscher damals – beim Entry Draft der National Hockey League dabei war; die Pittsburgh Penguins sicherten sich die Transferrechte: sechste Runde, Position 167. Marco Sturm kennt die Statistiken (drei Spielzeiten National Collegiate Athletic Association: 105 Einsätze, 27 Tore, 32 Vorlagen), kennt die Scouting Reports. „Speed“ist dort das am häufigsten gebrauchte Attribut für Frederik Tiffels’ Spiel: Geschwindigkeit. Marco Sturm weiß selbstredend, dass man „College- und internationales Eishockey nicht vergleichen kann“, aber: „Ich wollte ihn ausprobieren.“
Dann musste Christoph Ullmann passen – die Schulter. Und die Chance für Frederik Tiffels. Die Anreise, kurzfristig, war umständlich. Der Start, beim 1:5 und 2:5 Anfang April in Norwegen, war holprig. Der Bundestrainer: „Aber er hat eben auch Mittelstürmer spielen müssen, drüben spielt er Außen.“Hüben legte Frederik Tiffels in ungewohnter Rolle ziemlich schnell ziemlich zu, zuletzt zwischen den Nürnbergern Yasin Ehliz und Patrick Reimer. „Er hat alles umgesetzt, was wir verlangt haben“, sagte Marco Sturm in Ravensburg, „er hat sich von Spiel zu Spiel gesteigert.“
Cool: Rieder im realen Leben
Nur bedingt eine Überraschung: Die WMU-Broncos coacht im sechsten Jahr Andy Murray, ein ausgewiesener Fachmann, NHL-erfahren, WM-erfolgreich (Gold 1997, 2003, 2007 als Trainer Kanadas), deutsch sprechend. An Rüstzeug also hat Frederik Tiffels einiges mitbekommen, das Läuferische („meine Stärke“) ist keineswegs seine einzige Qualität. Die konzentrierte Arbeit mit den Nationalmannschaftskollegen über vier Wochen tat ein Übriges: „Man kann sich von allen irgendwas abschauen, die machen alle irgend ’ne Sache super.“Am meisten gilt das – natürlich – für die NHL-Größen Tobias Rieder, Dennis Seidenberg und Thomas Greiss. Spieler, zu denen Frederik Tiffels „aufgeschaut“hat früher. „Jetzt ist es schon cool, wenn man die mal im realen Leben sieht.“
Und ihnen, geschehen beim Seidenberg’schen 3:1 in Ravensburg, die Scheibe ideal auflegt. Den Blick für den Nebenmann haben so nicht viele. Frederik Tiffels’ Bescheidenheit auch nicht. Zur Vorarbeit zwei Tore? Zwei solche Tore? Merke: „Manchmal gehen die Schüsse halt rein – und manchmal nicht. Heut’ war so ’n Tag, an dem sie reingegangen sind.“
Der 1. Mai 2017 war auch der Tag, an dem Frederik Tiffels sein WM-Ticket gelöst hat: Der Kölner steht weiter in Marco Sturms Kader, spielt von Freitag an wohl in Kölns Lanxess-Arena vor. Vielleicht auch um seine NHLZukunft? Die Pittsburgh Penguins werden sich ein Bild machen, Frederik Tiffels macht sich, so sagt er, deshalb keinen Kopf. Jetzt ist Heim-WM, die National Hockey League hat Zeit. Und: „Im Leben ist alles realistisch, wenn man nur genug dafür arbeitet. Das ist mein Traum, und den leb’ ich weiter.“Brennend.