Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Tradition, Zeitgeist und etwas Kommerz

Das Ostseebad Ahrenshoop feiert 125 Jahre Künstlerko­lonie – mit Ausstellun­gen, Lesungen und allerhand Theater

- Von Joachim Mangler

(dpa) - 680 Einwohner, zwei Kunsthäuse­r, sechs Galerien. Diese Aufzählung macht klar, wo der Schwerpunk­t des Ostseebads Ahrenshoop auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst liegt: in der Kunst. Und das seit 125 Jahren. 1892 baute sich Paul Müller-Kaempff (1861-1941) in dem damals noch einsamen Fischerdor­f ein Haus und legte den Grundstein für die Künstlerko­lonie, deren Jubiläum bis in den Oktober hinein gefeiert wird.

Platz für viele Künstler

Dutzende Künstler fanden dort die Muße, die Umgebung und das passende Licht für ihr Wirken. Zur Gründergen­eration gehörten etwa Anna Gerresheim (1852-1921), Elisabeth von Eicken (1862-1940) und Carl Malchin (1838-1923) – klingende Namen für Kunstinter­essierte. Ein Kunstpfad soll die Besucher zu den Orten führen, von deren Warte aus die Künstler ihre Gemälde fertigten, sagt Kurdirekto­r Roland Völcker.

Zwei prägnante Wegmarken sollen auf das Jubiläum aufmerksam machen. Dazu habe Moritz Götze, einer der renommiert­esten Vertreter der deutschen Popart, zwei Holzskulpt­uren gefertigt. Eine sehr hohe Abbildung von Müller-Kaempff steht auf dem 18 Meter hohen Bakelberg. Gegenüber auf dem Schifferbe­rg wird die Interpreta­tion eines „Malweibes“errichtet. Beide Werke sind nicht für die Ewigkeit, sie werden verrotten, sagt Völcker.

Das Jubiläum ist Anlass für ein Festjahr unter dem Motto „Traditione­n bewahren – im Zeitgeist leben“. Dessen Herzstück ist die Ausstellun­g „Licht, Luft, Freiheit“in dem 2013 eröffneten Kunstmuseu­m. Dort werden rund 90 Gemälde der Hauptvertr­eter der Gründergen­eration gezeigt. „Viele erstmals“, betont Marion Schael vom Museum.

„Es ist ein Dreiklang, der Ahrenshoop für jeden Künstler interessan­t macht“, sagt der ehrenamtli­che Bürgermeis­ter Hans Götze, selbst Maler und Grafiker. Einen Teil bilde die über Jahrzehnte gewachsene und noch vorhandene dörfliche Struktur. „Zudem ist Ahrenshoop mit einer intakten Natur gesegnet.“Dazu gehören der Nationalpa­rk Vorpommers­che Boddenland­schaft, die Ostsee und der Bodden quasi vor der Haustür. „Wir bemühen uns, die Natur in dieser Form zu erhalten“, sagte Götze.

Den Dreiklang mache die Kunst und das entspreche­nde künstleris­che Klima komplett, ist Götze überzeugt. Äußeres Zeichen davon seien die viele reetgedeck­ten Häuser und das kulturelle Angebot, dass nicht nur zur Hauptsaiso­n geboten wird. Die Gäste kämen, nicht nur um die Kunst zu bestaunen, sondern auch an einem der Kunstkurse teilzunehm­en. Der kleine Ort kann aber auch ohne Kunst nicht über mangelnden Zuspruchkl­agen: Rund 380 000 Übernachtu­ngen wurden 2016 gezählt.

Sechs jung Stipendiat­en

Zum prägenden Kern Ahrenshoop­s gehören auch die Stipendiat­en, sagt Gerlinde Creutzburg. Sie ist Direktorin des Künstlerha­uses Lukas in dem von Kaempff gebauten Haus. „Ich bin in Ahrenshoop für die Zukunft zuständig.“Monatlich kämen etwa sechs junge Künstler ins Dorf aus allen Kunstberei­chen, neben der bildenden Kunst auch noch Literatur, Kompositio­n und Performanc­e. Etwa 150 000 Euro würden investiert, ein Großteil komme vom Land.

Ahrenshoop brauche keinen Vergleich mit der Künstlerko­lonie Worpswede bei Bremen zu scheuen, sagt Creutzburg. „Worpswede ist das westdeutsc­he Ahrenshoop, Ahrenshoop ist das ostdeutsch­e Worpswede.“Die Ostseegeme­inde sei stets, auch in den Kriegs- und Nachkriegs­jahren, ein Rückzugsor­t namhafter Künstler gewesen. „Sie haben sich dorthin begeben, um Licht, Luft und Freiheit zu genießen und sich inspiriere­n zu lassen“, berichtet Schael.

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Der Kunstkaten Ahrenshoop wurde vom Begründer der Künstlerko­lonie Paul Müller-Kaempff initiiert, mit entworfen und bereits im Jahr 1909 eröffnet.
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FOTOS: DPA Das moderne Kunstmuseu­m wurde 2013 eröffnet.

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