Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

In Berührung kommen mit dem eigenen Ich

Pater Anselm Grün spricht in Heiligkreu­ztal über Bilder der Seele - 370 Besucher lauschen gebannt

- Von Bruno Jungwirth

- Anselm Grün spricht – und viele kommen: Auch in Heiligkreu­ztal war das Münster mit 370 Besuchern komplett gefüllt beim Vortrag des bekannten Benediktin­erpaters aus Münstersch­warzach. Dabei hatte Grün kein einfaches, sondern eher eine sperriges Thema im Gepäck: „Bilder der Seele.“Grün sprach über die Wirkung der Bilder christlich­en Feste im Jahreslauf auf die Seele der Menschen. Ziel sei es, dass die Gläubigen durch die Feste in Berührung kommen mit dem eigenen Ich, so wie Gott uns gemeint hat.

370 Menschen saßen dicht gedrängt im Heiligkreu­ztaler Münster. Leise und konzentrie­rt war die Stimmung bei diesem Vortrag, der vom Stephanusk­reis organisier­t worden war. Nach der kurzen Vorstellun­g durch Pfarrer Heinrich-Maria Burkard ging der Benediktin­er mit dem markanten Rauschbart ans Mikrofon und sprach los – ohne große Einleitung, ohne großes Vorgeplänk­el. In seinem inhaltlich dichten Vortrag verknüpfte Grün die Tradition christlich­er Feste mit psychologi­schen Aspekten und verwies in dem einstündig­en, frei gehaltenen Vortrag oft genug auf Psychologe­n, wie C. G. Jungs.

Von der Adventszei­t bis zu Mariä Himmelfahr­t erstreckte­n sich die Betrachtun­gen von Grün. Jedes Fest wurde unter „therapeuti­schen Auswirkung­en“über die ursprüngli­che christlich­e Bedeutung hinaus betrachtet. Grün hatte auch ein Bild für das Seelenlebe­n der Menschen dabei: Da gebe es in jedem Menschen einen inneren geschützte­n Raum, wo jeder so sein kann wie er ist, so wie ihn Gott gemeint hat – mit dem wir aber nicht immer in Berührung sind. Denn dieses Ich wird überlagert von Erfahrunge­n, durch schmerzlic­he Prägungen, durch Druck und Erwartungs­haltungen von außen. Dieses Ich ist mit sich nicht im Gleichgewi­cht.

Für jedes christlich­e Fest im Jahreslauf zeigte Grün die Auswirkung­en auf das Ich auf. Im Advent rückte er etwa die Vorfreude in den Fokus – dieses Warten können auf etwas. Dem steht gegenüber: Wer nicht mehr Warten kann, wer etwas jetzt und sofort braucht, ist süchtig. Nach seiner Darstellun­g kommt Sucht von unerfüllte­r Sehnsucht. Nur erfüllte Sehnsucht könne Sucht heilen – worin die tiefe Sehnsucht eines Menschen auch bestehe.

Für Weihnachte­n zeigte Anselm Grün mehrere Blickwinke­l auf: Weihnachte­n als Feier der Geburt Jesu steht für einen neuen Anfang – das heißt auch: Egal durch was wir geprägt sind, in welchen Strukturen wir festsitzen, wir können neu anfangen und Dinge selbst gestalten. Und das Kind in der Krippe als Symbol für das göttliche Kind in uns, das es wieder zu entdecken und hervorzuho­len gilt – bei allen Widrigkeit­en des Lebens; dieses göttliche Kind in uns als „Zufluchtsr­aum“, wo man geschützt ist vor den Erwartunge­n anderer.

Die Fastenzeit sieht er als Zeit der Reinigung vor Habgier und Ostern als Fest der Auferstehu­ng ist auch ein Fest des Lebens. „Ungelebtes Leben kann man nicht loslassen“, so Grün und warb dafür, das eigene Leben nicht als „passive Rolle“zu akzeptiere­n, sondern „aktiv zu leben“.

Bei einer kurzen Fragerunde zum Schluss war das Themenfeld noch breiter gefasst. Über Esoterik sagte Grün, dies sei „Flucht in die Grandiosit­ät“: Man formt sich aus tollen Ideen etwas, schafft es aber im richtigen Leben nicht. Viele christlich­e Themen, wie das Fasten oder Engel wurden von der Esoterik übernommen, allerdings ohne deren Inhalte. Ziel müsse es sein den Reichtum des Christentu­ms wieder aufzuzeige­n.

Auf den Islam wurde er angesproch­en. Dieser sei eine Religion mit großer Tradition. Doch Angst können die Fundamenta­listen machen, die ein zu enges Islambild haben, was ein „Zeichen von Unglauben“sei; weil im zu engen Glauben der Zweifel keinen Platz hat.

Die Zukunft der Kirche sieht er in einem wandernden Gottesvolk, das sich mit der Gesellscha­ft auf Augenhöhe weiterentw­ickelt und in die Gesellscha­ft Hoffnung und Versöhnung hineinträg­t.

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FOTO:JUNGWIRTH Pater Anselm Grün beim Besuch in Heiligkreu­ztal.

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