Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Geniales Vorlesen und Musizieren
Förderverein der Conrad-Graf-Musikschule veranstaltet „Lesung und Musik mit Pep“
- „Russland“hat Cornelius Frommann als Thema für die Veranstaltung des Fördervereins der Conrad-Graf-Musikschule ausgesucht. Drei russische Schriftsteller aus drei Epochen stellte er vor. Mit passender Musik haben die vier Musiker die Lesung eingefasst: Reinhold Gruber am Flügel, Albrecht Streicher (Trompete), Bernd Buck (Klarinette und Saxophon), Wolfgang Störkle (Akkordeon). Für 100 Zuschauer war das ehemalige Refektorium des Kapuzinerklosters bestuhlt – und alle Plätze wurden besetzt. Spenden von fast 700 Euro konnten nach eineinhalb Stunden aufmerksamen und vergnüglichen Zuhörens verbucht werden.
„Da geht einem das Herz auf!“beschreibt einer der Zuhörer die Veranstaltung am Ende. Nur zögerlich leert sich der Saal. Fröhliche Gesichter, nicht abreißende Gespräche: Die Kombination von Text und Musik hat ausnehmend gut gefallen. Beide Bereiche konnten nicht ohne Zugaben ihre kleine Bühne verlassen. Ganz unabhängig voneinander hätten sie ihre Auswahl getroffen, sagen sie. Und sie passte perfekt.
Nachdem die Lautsprecher eingerichtet, die Leselämpchen auf dem Pult installiert sind, fragt Reinhold Gruber seine Mitmusiker und das Publikum: „Seid ihr bereit?“Schmunzeln und einstimmiges Ja. Für Pjotr Tschaikowsky haben sie sich entschieden und für Aram Chatschaturjan. Typisch russische Musik, sagt Gruber, wild und wehmütig, getragen und zigeunerhaft: „Nix Westliches.“Und so ist von der Romantik bis zur Ballettmusik und dem Säbeltanz in fünf Abschnitten alles zu hören, in unglaublichem Tempo und in Perfektion vorgetragen. Getragen beginnen die Vier, gefolgt von einer flotten Polka. Einen Gag verspricht Gruber im dritten Teil; auf Takt 77 sei zu achten. Und er beschreibt, woran der Takt zu erkennen sei. Ungläubiges Schmunzeln. Ballettmusik, mit überraschenden Wendungen und lyrischen Teilen spielen sie. Bernd Buck und Albrecht Streicher hinter ihren Notenpulten auf der rechten Seite setzen plötzlich – bei Takt 77? – ihre Instrumente ab, haken sich rechts ein und drehen sich im Tanzschritt umeinander. Richtungswechsel. Weiterspielen. Überraschter Zwischenapplaus. Begeistert reagieren die Zuhörer auch auf die mit viel Schmelz vorgetragene „Zigeunerromanze“. In umwerfendem Tempo und einem abrupten hohen Schluss: der „Säbeltanz“. Langes, lautes, rhythmisches Klatschen. Für die Zugaben haben sich die Musiker Volksliedhaftes, Schwermütiges ausgesucht.
Cornelius Frommann knipst die Leselämpchen auf dem Pult an und führt in seinen Part der Abendunterhaltung ein. Eine persönliche Beziehung zu Russland habe er nicht, aber: „Das ist ein Riesenvolk und die haben sehr viel.“In der Zarenzeit ist sein erstes Buch angesiedelt: Dostojewski. Passend zu Tschaikowsky, stellt er fest. Und da könne auch die eben gehörte Polka vor dem Kasino in Baden-Baden zu hören gewesen sein. Dort spiele der Teil, den er aus „Der Spieler“vorlese. Er gibt eine kurze Einführung über Personen und Situationen und liest dann flott, begleitet mit viel Schmunzeln über die dicke Erbtante, die ihr Geld verspielt. In unterschiedlichen Tonlagen stellt er die Handelnden dar, auch „energischgrimmig“, wie es der Text erfordert. Und endet mit „oh weh, oh weh“in weinerlicher Stimme, Lachen in den Augen – als das ganze Geld weg ist.
Das zweite Buch versetze die Zuhörer in die frühe Sowjetunion mit einer gewissen Ironie. Da er nur Ausschnitte lesen könne, empfiehlt Frommann: „Lesen!“Sein Publikum verfolgt dann gespannt seinen Vortrag über die ironisch so hoch gepriesene neue Staatsform und die früher herrschende chaotische „Freiheit“. Bereits 1920 sei der Roman erschienen und hätte erst in den 50er Jahren die Erlaubnis für eine russische Auflage erhalten.
Von Bibliothekarin Marion Kiefer ihm ans Herz gelegt sei sein dritter Roman einer russisch-deutschen jungen Schriftstellerin. Es versetze in die Jetzt-Zeit. Unterhaltsam und genau beobachtend schildert sie ihren Verwandtenbesuch in St. Petersburg. Mit viel Schmunzeln und überraschtem Lachen reagieren die Zuhörer. Applaus begleitet Frommann zu seinem Platz zurück.
„Einen hätt’ ich noch“, kehrt Frommann nach der Zugabe ans Pult zurück und fragt sein Publikum: „Lieber Aberglaube oder Wodka?“Das entscheidet sich fürs Getränk. Frommann genießt selber die Sätze, die er vorliest. Hoher Genuss für die Besucher.
„Da geht einem das Herz auf!“Ein Zuhörer