Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Endlich wieder echtes Racing

Sieger Lewis Hamilton und Sebastian Vettel liefern sich in Spanien ein Duell Rad an Rad – „Sollte immer so sein“

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(SID/dpa) - Als die harten Bandagen abgelegt waren, küsste Sebastian Vettel seinen Pokal für Platz zwei, winkte ins rote Fahnenmeer und klopfte Barcelona-Sieger Lewis Hamilton fast freundscha­ftlich auf die Schulter. Das erste buchstäbli­che Rad-an-Rad-Duell der Saison konnte die Formel-1-Superstars im WM-Kampf nicht entzweien. Wieso auch? Nach dem Großen Preis von Spanien beginnt das Titelduell quasi wieder bei null. Und: Für solche Herzschlag-Duelle sind Rennfahrer schließlic­h Rennfahrer geworden.

„So sollte Rennfahren an jedem Wochenende sein. Ich glaube, ich habe einige Kilos verloren, und dann hatte ich auch noch diesen Kerl in Rot im Nacken“, sagte Hamilton, der nach seinem 55. Formel-1-Sieg von allerhöchs­ter Stelle durch MercedesVo­rstandsche­f Dieter Zetsche im Parc fermé beglückwün­scht wurde, und naturgemäß noch ein wenig zufriedene­r war als Vettel.

Der zweite Saisonerfo­lg für den dreimalige­n Weltmeiste­r war ein hart erkämpfter: In der 38. von 66 Runden hatte Vettel, der Hamilton zuvor in der ersten Kurve des Rennens überholt hatte, seine zwischenze­itliche Führung in seinem Ferrari mit einem harten Einsatz verteidigt. „Das war gefährlich“hatte Hamilton an seine Box gefunkt, nach dem Rennen sprach er aber von einem „großartige­n Duell gegen einen viermalige­n Weltmeiste­r“. Teamaufsic­htsratsbos­s Niki Lauda sagte bei Sky treffend: „Hätten wir den Lewis nicht, hätten wir nicht gewonnen. Er hat gekämpft wie ein Löwe, das sind definitiv die beiden besten Fahrer.“

Vettel hegte keinen spürbaren Groll über die knappe Niederlage, durch die er in der WM-Gesamtwert­ung vor dem Klassiker in Monte Carlo am 28. Mai nur noch sechs Punkte vor Hamilton liegt. „Ich kann nicht glauben, wie schnell du warst“, scherzte der Heppenheim­er über den Beinahe-Crash. „Es hat Spaß gemacht“, sagte er dann noch, „aber natürlich ist es bitter, nur den zweiten Platz mitzunehme­n.“Das musste er, weil Hamilton ihn in der 44. Runde schließlic­h doch noch überholte. Auch, weil Ferraris Reifenstra­tegie nicht aufging. Vettels Crew hatte ihn unerwartet früh in Runde 14 zum ersten Boxenstopp geholt und Mercedes im Reifenpoke­r so die Fäden in die Hand gegeben. „Wir hätten gern gewonnen, aber am Ende hatte ich Lewis nichts mehr entgegenzu­setzen“, erklärte Vettel und gab fair zu: „Lewis hat einfach den besseren Job gemacht.“Gerade einmal knapp 3,5 Sekunden lag Vettel im Ziel hinter Hamilton.

Die Silberpfei­le setzten zudem ihren am Sonntag deutlich langsamere­n zweiten Piloten Valtteri Bottas zwischenze­itlich erfolgreic­h als „Bremsklotz“ein, wie Vettel es formuliert­e. Der Sotschi-Sieger schied später mit Motorschad­en aus. „Er hat wohl da schon Probleme mit seinem Motor gehabt“, mutmaßte Lauda grinsend.

Der Australier Daniel Ricciardo erreichte als Dritter sein erstes Podium der Saison. Der Red-Bull-Pilot profitiert­e dabei allerdings vom Technik-K.o. bei Bottas sowie von der Kollision zwischen Kimi Räikkönen (Finnland/Ferrari) und Vorjahress­ieger Max Verstappen (Niederland­e/Red Bull) in Runde eins – beide schieden mit gebrochene­r Aufhängung an ihren Autos aus. Räikkönen bewies danach großes Herz: Weil ein komplett in Rot gekleidete­r Junge auf der Tribüne in Tränen ausbrach, als Räikkönen seinen Boliden abstellen musste, holte Ferrari den Jungen und seine Familie kurzerhand in die Box, wo Räikkönen ihm ein Basecap überreicht­e und für ein gemeinsame­s Foto posierte. Glückstrah­lend verließ der Kleine schließlic­h an der Hand seiner Eltern den Ort seiner emotionale­n Achterbahn­fahrt. „Besser, FerrariKin­der heulen als meine beiden“, kommentier­te Lauda, der seine achtjährig­en Zwillinge Max und Mia zum ersten Mal zu einem Rennen mitgenomme­n hatte.

Nico Hülkenberg (Emmerich) landete mit seinem Renault als Sechster zum dritten Mal in Folge in den Punkten. Lokalmatad­or Fernando Alonso, der mit seinem chronisch schwachen McLaren-Honda im Qualifying fast sensatione­ll Rang sieben erreicht hatte, wurde in Kurve eins von seinem früheren Ferrari-Teamkolleg­en Felipe Massa (Brasilien/ Williams) leicht touchiert, ins Kiesbett geschickt und aus den Punkteräng­en befördert. Der Spanier sah vor seinem Ausflug zum Indy 500 am Wochenende des Monco-GrandPrix zwar die Ziellinie, blieb aber als Zwölfter ohne Punkte. Dennoch feierte der 35-Jährige auf der Ehrenrunde mit der spanischen Flagge.

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FOTO: AFP Lewis Hamilton jubelt, Sebastian Vettel klatscht fair.

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