Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Situation in der Pflege spitzt sich zu
Franz Vees: Neue Landesheimbauverordnung verschärft Mangel an Kurzzeitpflegeplätzen
- Durch die neue Landesheimbauverordnung, die 2019 in Kraft tritt, wird sich der Mangel an Kurzzeit- und normalen Pflegeplätzen verschärfen, sagt Franz Vees, Leiter der Seniorenwohnanlage Fideliswiesen in Sigmaringen. Das Problem betreffe nicht nur den Kreis Sigmaringen, sondern im Grunde ganz Baden-Württemberg. In der Region haben sich Betroffene deswegen ein Konzept überlegt, wie man diesem Mangel begegnen könnte. Ein Antrag mit entsprechenden Vorschlägen, an dem Vees mitgewirkt hat, ist von Lothar Riebsamen, CDU-Bundestagsabgeordneter des Bodenseekreises, im Herbst beim Bund vorgebracht worden. In den nächsten Wochen werden Gremien über den Antrag entscheiden. Vees engagiert sich in der Sigmaringer CDU als Schatzmeister und ist stellvertretender CDA-Bezirksvorsitzender (Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands).
Das Problem, das schon jetzt zum Mangel an Plätzen führt, hat verschiedene Ursachen: „Zum einen resultiert es aus dem demografischen Wandel – Menschen werden immer älter – und auch aus dem Mangel an Fachkräften in der Pflege“, bilanziert Vees. Außerdem seien Kurzzeitpflegeplätze vor allem im Sommer begehrt, nämlich dann, wenn pflegende Angehörige in den Urlaub fahren und die pflegebedürftige Person in einer vollstationären Unterbringung betreuen lassen wollen. Oder wenn sich Senioren nach einem Krankenhausaufenthalt zeitweise nicht mehr selbst versorgen können. „Die Situation ist jetzt schon angespannt, die Heime sind voll. Das wird sich aber ab 2019 noch verschärfen“, prognostiziert Vees. Denn die neue Verordnung besagt, dass es künftig in neu gebauten Pflegeheimen keine Doppelzimmer mehr geben darf, nur noch Einzelzimmer. Bestehende Einrichtungen können noch Doppelzimmer anbieten, sofern sie größer als 22 Quadratmeter sind. Durch die Vorhaltung von Einzelzimmern würden Plätze wegfallen, die das Heim sonst für die Kurzzeitpflege freihalten könnte. Wäre dies möglich, gäbe dann zwar Leerstände unter dem Jahr, was die Kurzzeitpflege für die Pflegekasse teurer machen würde, die Mehrkosten seien laut Vees jedoch nur gering.
„Doppelzimmer ist in der Kurzzeitpflege zumutbar“
Der Antrag Riebsamens, dem sich die Bundes-CDU beim Bundesparteitag angeschlossen hat, enthält nun den Vorschlag, solitäre Plätze für die Kurzzeitpflege freizuhalten und diese als Doppelzimmer anzubieten. „Im Krankenhaus hat man ja auch einen Zimmernachbarn“, sagt Vees. Bei der Kurzzeitpflege handele es sich ebenfalls um einen temporären Aufenthalt, für den ein Doppelzimmer zumutbar sei. „Zudem gibt es immer wieder Bewohner in der Langzeitpflege, die sich explizit ein Doppelzimmer wünschen und nicht alleine wohnen wollen“, sagt Vees. Theoretisch gelte die Einzelzimmerunterbringung nämlich auch für Ehepaare.
Vees schwebt vor, einen bestimmten Prozentsatz – etwa 15 bis 20 Prozent des Zimmerkontingents – für Doppelzimmer in der Langzeitpflege anzubieten. Auch wenn die Seniorenwohnanlage Fideliswiesen derzeit keine Probleme mit dem Fachkräftemangel hat: „Häuser, die zu wenig Personal haben, können entsprechend noch weniger Bewohner aufnehmen.“
Bedarf ist siebenmal höher als das Angebot
In den anderen Heimen im Kreis sei die Situation ähnlich. Im Landkreis Sigmaringen gibt es derzeit 18 Pflegeheime mit 879 Plätzen inklusive 43 Kurzzeitpflegeplätzen. In der Seniorenwohnanlage Fideliswiesen gibt es derzeit Platz für 56 Bewohner, davon elf Doppel- und 34 Einzelzimmer. Drei Plätze der 56 sind für die Kurzzeitpflege vorgesehen. Der Bedarf ist tatsächlich fast siebenmal höher: „Das Heim ist das ganze Jahr über fast zu 100 Prozent belegt. Es gibt eine Warteliste“, sagt Vees. Für die Kurzzeitpflege im Sommer hätten schon 20 Menschen angefragt. Auch Anfragen aus Singen oder Konstanz erreichen Vees. Die Nachfrage für beide Pflegearten, vermutet dieser, wird für die nächsten Jahre noch wachsen.
Noch gravierender sei die Situation in der Stadt, wo weniger Menschen zu Hause gepflegt würden, allein schon weil es mehr Single-Haushalte gebe. „Eine Distanz von Singen nach Sigmaringen grenzt für Bewohner an Isolation“, sagt der 63-Jährige. „Der Bewohner kriegt alles, bloß keinen Besuch.“Dabei sehe der Gesetzgeber eine wohnortnahe Unterbringung vor. „Das ist aber ein dehnbarer Begriff“, so Vees, der seit 21 Jahren Heimleiter ist.
Was sollten pflegende Angehörige auf der Suche nach einem Kurzzeitpflegeplatz tun, wenn sie von belegten Heimen abgewiesen werden? „Weitersuchen“, sagt Vees. Oder versuchen, den Mehrbedarf über eine Aufstockung der Leistung der ambulanten Pflege abzufangen. Doch das könnte laut Vees teuer werden, und biete sich auch nur für Menschen mit niedrigem Pflegegrad an.