Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Einigung in letzter Minute
Bund-Länder-Finanzreform steht – Bund zahlt Milliarden – Länder reden bei Autobahnen weiter mit
- Die umfangreichste Reform der Großen Koalition kommt auf den letzten Metern noch zum Erfolg: Der Bund-LänderFinanzausgleich wird neu gestaltet. Vom „größten Reformwerk der Koalition“, sprach Unions-Fraktionschef Volker Kauder, von einer „bahnbrechenden Reform“SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, von einem „der größten und wichtigsten Gesetze“CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.
Der Bund wird künftig die Länder mit neun bis zehn Milliarden Euro unterstützen, er kann Bildung mitfinanzieren. Im Gegenzug ist der Bund mit einer Infrastrukturgesellschaft für die Autobahnen verantwortlich. Teil des Pakets ist auch der sogenannte Unterhaltsvorschuss. Alleinerziehende können künftig bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres für ihre Kinder einen Vorschuss erhalten, wenn der Ex-Partner (in der Regel der Vater) mit dem Unterhalt säumig ist.
Als die Neuordnung des BundLänder-Finanzausgleichs im vergangenen Herbst endlich unter Dach und Fach gekommen war, lobte sich der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) selbst. Der Kompromiss gehöre zu den drei bedeutendsten Punkten, die er politisch erreicht habe. Tatsächlich war er jahrelang ein Treiber der Reform. Mit dem Ergebnis zeigten sich damals alle 16 Länder und auch der Bund einverstanden. Von 2020 an wird der Bund deutlich mehr in das Umlageverfahren pumpen und somit die Geberländer entlasten. Baden-Württemberg rechnet mit einer höheren Brutto-Summe von etwa einer Milliarde Euro, Bayern spricht von zusätzlichen 1,35 Milliarden Euro. „Das ist ein Stück mehr Gerechtigkeit beim Länderfinanzausgleich“, sagte Gerda Hasselfeldt.
Knackpunkt Privatisierung
Im Gegenzug soll der Bund mehr Kompetenzen bekommen, wofür eine Grundgesetzänderung erforderlich ist – so soll etwa der Bund mittels einer Autobahngesellschaft für die Fernstraßen im Land zuständig sein dürfen. Genau bei diesem Punkt aber verhakten sich die Verhandlungen. Die SPD legte größten Wert darauf, dass die Autobahnen nicht privatisiert werden können. Die Abstimmung, die eigentlich schon für diesen Freitag geplant war, musste verschoben werden.
Politiker in Bund und Ländern wurden nervös. Ministerpräsident Kretschmann mahnte am Mittwoch auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“: „Wir brauchen jetzt dringend Planungssicherheit, um unsere grundsolide Haushaltspolitik nach Inkrafttreten der Schuldenbremse ab 2020 fortsetzen zu können.“Und er erklärte: „Die Grünen in den Landesregierungen haben sich bereits verständigt, dem Paket im Bundesrat zuzustimmen.“Finanzministerin Sitzmann hatte sich hoffnungsvoll geäußert: „Da setzt sich sicherlich die Vernunft aller Beteiligten durch.“
Das hat sie dann wohl. Autobahnen bleiben auch künftig Eigentum des Bundes, private Beteiligungen in größerem Rahmen sind ausgeschlossen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, die Verfassung bekomme „eine wasserdichte Hülle um die Infrastrukturgesellschaften“. Die sogenannten Projekte in öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) sind damit auf Einzelstrecken reduziert.
Am Donnerstag wird das Paket in Sondersitzungen den Bundestagsfraktionen vorgestellt, schon in der nächsten Woche ist die abschließende Lesung im Bundestag geplant, sodass das Gesetz vor der Sommerpause noch den Bundesrat erreicht. Für die Grundgesetzänderungen ist im Bundestag und anschließend im Bundesrat jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.