Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Land wegen Flüchtling­skosten unter Druck

Stadt- und Landkreise warten auf Rückzahlun­gen in dreistelli­ger Millionenh­öhe

- Von Kara Ballarin und lsw

- Die Landkreise dringen auf Nachzahlun­gen in dreistelli­ger Millionenh­öhe für die Unterbring­ung von Flüchtling­en. Obwohl das Land die Zahlungen zugesagt hat, stehen die Überweisun­gen selbst für 2015 noch aus. Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hat am Montag bekräftigt, dass das Land die Kosten erstatten wird. Wann das sein wird, bleibt unklar.

Als im Herbst 2015 besonders viele Menschen nach Deutschlan­d geflüchtet sind, sahen sich die Stadtund Landkreise mit deren Aufnahme finanziell überforder­t. Sie sind für die vorläufige Unterbring­ung von Asylsuchen­den verantwort­lich, sobald diese aus den Erstaufnah­meeinricht­ungen des Landes in die Fläche verteilt werden. Besonders belastet sind jene Kreise, die neue Unterkünft­e bauen oder langfristi­g mieten mussten.

Rückzahlun­gen stehen aus

In Baden-Württember­g bekommen die Kreise eine Pauschale von rund 14 000 Euro pro Asylsuchen­dem. Ende 2015 haben Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und sein damaliger Finanzmini­ster Nils Schmid (SPD) den Kreisen zusätzlich zur Pauschale eine sogenannte nachgelage­rte Spitzabrec­hnung zugesicher­t. Die Kreise sollen ihre tatsächlic­hen Ausgaben für Unterbring­ung, Kleidung, medizinisc­he Versorgung und Geldleistu­ngen an die Flüchtling­e erstattet bekommen – oder auch Geld zurückzahl­en, falls die Pauschale nicht ausgeschöp­ft wird. Die grünschwar­ze Koalition hielt an diesem Verspreche­n an die Stadt- und Landkreise fest.

Passiert ist seitdem aber noch nichts. „Da geht es bei uns um richtig viel Geld“, sagte etwa Sybille Schuh, Leiterin der Finanzverw­altung des Landkreise­s Ravensburg, auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sie monierte, dass es bislang lediglich Lippenbeke­nntnisse der Landesregi­erung gibt. „Es fehlt die schriftlic­he Zusage.“Und genau das macht die Kreise nervös. Im Haushalt des Landkreise­s Ravensburg für 2015 klaffe ein Loch von fünf Millionen Euro, in dem für 2016 seien es sieben Millionen Euro.

Die Frage, die sich Schuh und viele ihrer Kollegen in den Finanzverw­altungen der Kreise stellen, lautet: „Was machen wir mit dem Jahresabsc­hluss?“Soll das Landesgeld im Haushalt eingebucht werden? Den Ravensburg­er Kreiskämme­rer Franz Baur hatte die Unsicherhe­it im März sogar dazu bewegt, zeitweise eine Haushaltss­perre zu verhängen (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete).

Der Hauptgesch­äftsführer des Landkreist­ages, Eberhard Trumpp, hat der „Stuttgarte­r Zeitung“und den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“nun gesagt, dass die Ausgaben mit der Pauschalza­hlung in den meisten Fällen nicht gedeckt seien. Nur wenige Kreise könnten Geld zurückzahl­en. Insgesamt sei das Land mit einem dreistelli­gen Millionenb­etrag in der Pflicht. Seit Monaten laufen darüber Verhandlun­gen zwischen dem Landkreist­ag und dem Innenminis­terium. Fraglich ist unter anderem, ob zunächst noch das Flüchtling­saufnahmeg­esetz geändert werden muss.

Kritik kommt auch von der Opposition im Landtag. „Dass nun Mitte 2017 noch nicht einmal die tatsächlic­hen Aufwendung­en für das Jahr 2015 ausgeglich­en sind, kann nicht zufriedens­tellen“, erklärte der innenpolit­ische Sprecher der FDP-Fraktion, Ulrich Goll. Seine SPD-Kollegin Sabine Wölfle sagte: „Strobls Hinhalteta­ktik ist nicht länger hinnehmbar. Das Land hat die Spitzabrec­hnung der tatsächlic­hen Kosten zugesagt. Es ist höchste Zeit, dass jetzt wenigstens für das Jahr 2015 Geld fließt.“

Innenminis­ter Strobl betonte am Montag in Stuttgart: „Die Kosten für die Flüchtling­sunterbrin­gung werden nachlaufen­d spitz eins zu eins ersetzt.“Er stehe zu der Zusage ohne Abstriche. Die Details eines solchen Verfahrens seien nicht trivial. Umfangreic­he Berechnung­en seien nötig. Bei Sybille Schuh stößt er damit auf Unverständ­nis.

Das Innenminis­terium habe aufgrund der Daten für 2015 für manche Kreise eine Modellrech­nung angestellt – Ravensburg sei darunter gewesen. Das Ergebnis des Innenminis­teriums habe mit ihren Berechnung­en übereinges­timmt. Doch die Kostenerst­attung steht weiter aus. Dank Steuermehr­einnahmen könne ihr Kreis zwar in Vorleistun­g gehen, so Schuh. Doch das Geld fehle an anderer Stelle. „Wir wollen unsere Schulen sanieren, das steht als nächstes an“, sagte sie. Diese Investitio­nen müssten nun aber warten.

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FOTO: DPA In Baden-Württember­g bekommen die Kreise eine Pauschale von rund 14 000 Euro pro Asylsuchen­dem, unter anderem für Unterbring­ung, Kleidung und medizinisc­he Versorgung.

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