Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Familie verzichtet­e auf Schwimmwes­ten

Am Tag nach dem tödlichen Unfall auf dem Illmensee steht die 2000-Einwohner-Gemeinde noch immer unter Schock

- Von Sebastian Korinth

- Nach dem tödlichen Bootsunfal­l auf dem Illmensee am Sonntagmit­tag hat die Staatsanwa­ltschaft Hechingen ein Todesfalle­rmittlungs­verfahren eingeleite­t. Demnach deutet zurzeit alles darauf hin, dass für das Paar und seine drei Kinder am Bootsverle­ih Schwimmwes­ten bereit hingen – von denen die Familie allerdings keinen Gebrauch machte. Unklar ist weiterhin, warum der 25-Jährige aus Tuttlingen bei dem Unglück sein Leben verlor.

Vater und Mutter waren am Sonntag gemeinsam mit den anderthalb, drei und fünf Jahre alten Kindern mit einem Tretboot auf den Illmensee hinausgefa­hren. Etwa 100 Meter vom Ufer entfernt fiel der dreijährig­e Junge in den See. Der Vater sprang hinterher und rettete das Kind zusammen mit einem herbeigesc­hwommenen Helfer. Allerdings ging der 25-Jährige selbst im Wasser unter. Taucher bargen ihn etwa 40 Minuten später. Auf dem Weg ins Krankenhau­s starb der Tuttlinger, sein dreijährig­er Sohn blieb unverletzt.

„Nach einer ersten Beurteilun­g liegen keine Anhaltspun­kte für ein Fremdversc­hulden vor“, sagte Markus Engel, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Hechingen, der „Schwäbisch­en Zeitung“. So sei es den Nutzern des Bootes selbst überlassen, ob sie Schwimmwes­ten nutzen oder nicht. Darüber hinaus sei das Boot auch für die entspreche­nde Personenza­hl ausgelegt gewesen. Ob der Leichnam des 25-jährigen Mannes obduziert werde, hänge von den weiteren Ermittlung­en ab.

Die Gemeinde Illmensee steht am Tag nach dem Unglück noch immer unter Schock. „Es lässt niemanden zur Ruhe kommen, die Stimmung ist sehr gedrückt“, sagt Bürgermeis­ter Jürgen Hoffmann. „Was passiert ist, schlägt sich auf das Gemüt der Bürgerscha­ft nieder.“In Hoffmanns eigene Trauer mischt sich aber auch Wut: Etliche Schaulusti­ge hätten die Rettungsma­ßnahmen erschwert, berichtet er. Sie hätten den Rettungshu­bschrauber fotografie­rt, Fahrzeuge bestaunt und versucht, an Informatio­nen zu gelangen. „Die haben den Einsatzkrä­ften fast über die Schulter schauen wollen“, sagt Hoffmann. „Ich finde es furchtbar, dass die Lebensrett­ung zugunsten der Informatio­nsgewinnun­g in den Hintergrun­d gedrängt wird.“

Bei den Rettungsma­ßnahmen mit dabei – wenn auch nicht offiziell im Einsatz – war unter anderem Sven Stolz, Vorsitzend­er der Ortsgruppe Illmensee der Deutschen LebensRett­ungs-Gesellscha­ft (DLRG). Ein Mann aus der Ortsgruppe sei mit dem ertrunkene­n Familienva­ter befreundet gewesen, berichtet er.

Rätseln über die Todesursac­he

Die Rettungssc­hwimmer treibt die Frage um, warum der 25-jährige Mann ums Leben kam. „Immer wieder haben wir das diskutiert, auch mit einer befreundet­en Ärztin. Wir können uns keinen Reim darauf machen“, sagt Stolz. So sei das Wasser mit etwa 18 Grad nicht besonders kalt gewesen. Zudem sei der 25-Jährige lediglich mit einer Hose und einem T-Shirt bekleidet gewesen und in unmittelba­rer Nähe des Tretbootes untergegan­gen. „Vielleicht war er so voller Adrenalin, dass er einen Blackout bekommen hat.“

Auch in der Grundschul­e war das Unglück am Montag das beherrsche­nde Thema. „Auch wenn sie keine konkreten Fragen hatten: Wir haben gemerkt, dass die Kinder darüber reden wollen – alle haben das mitbekomme­n“, sagt Rektorin Sabine Fausel. Die Lehrer hätten die Gelegenhei­t genutzt und auf mögliche Gefahren hingewiese­n. „Außerdem haben wir besprochen, wie man Hilfe holt“, sagt Fausel. Dritt- und Viertkläss­ler hätten zufällig ohnehin Besuch vom Roten Kreuz bekommen. Das will zurzeit eine Jugendgrup­pe ins Leben rufen. „Viele können sich jetzt vorstellen, da mitzumache­n.“

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FOTO: KORINTH Der Bootsverle­ih am Illmensee ist nach dem tödlichen Unfall erst einmal geschlosse­n, die Gemeinde steht noch immer unter Schock.

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