Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Michel Barnier drückt aufs Tempo

EU einigt sich auf Mandat für Brexit-Verhandlun­gen mit London ab dem 19. Juni

- Von Daniela Weingärtne­r

- Knapp drei Wochen vor der Parlaments­wahl in Großbritan­nien ist die EU startklar für die Brexit-Verhandlun­gen. Die Europamini­ster der Mitgliedss­taaten einigten sich am Montag in Rekordzeit auf die Modalitäte­n und setzten eine Arbeitsgru­ppe ein, die Verhandlun­gsführer Michel Barnier bei den Gesprächen unterstütz­en soll. Barnier will dieses flotte Tempo beibehalte­n.

Schon am 19. Juni, knapp zwei Wochen nach der Wahl, will er sich mit seinem britischen Partner treffen. Eine Woche später möchte er das EUParlamen­t unterricht­en. „Wir sind fertig und gut vorbereite­t“, erklärte Barnier auf Englisch, um jenseits des Kanals verstanden zu werden.

Barnier betont, er drücke aufs Tempo, weil die juristisch­e Unsicherhe­it der Übergangsp­hase so schnell wie möglich beendet werden müsse. Bei seinem Besuch in Irland habe er erfahren, wie groß die Ängste bei Landwirten, Unternehme­rn und Bewohnern diesseits und jenseits der Grenze zu Nordirland seien.

Eine „harte Grenze“müsse dort nach dem Austritt Großbritan­niens unbedingt vermieden werden, um den Friedenspr­ozess nicht zu gefährden und den wirtschaft­lichen Aufschwung nicht zu bremsen. Überall in der EU brauchten diejenigen, die von Förderprog­rammen profitiert­en, Planungssi­cherheit. Sie müssten rasch wissen, welche finanziell­en Mittel nach dem Rückzug Großbritan­niens zur Verfügung stünden.

Wie aus den Vorgespräc­hen Barniers mit den Regierunge­n durchsicke­rte, warnt der Franzose vor überzogene­n Finanzford­erungen, die die Gespräche zum Scheitern bringen könnten. Einige Regierunge­n bestehen darauf, dass London sämtliche vertraglic­h eingegange­nen Verpflicht­ungen bis weit über den Austrittst­ermin hinaus erfüllt.

Experten berechnen die Kosten für die Briten auf deutlich mehr als 100 Milliarden Euro. Als Beispiel wurde der EU-Türkei-Deal genannt, in dem sich die EU zur Zahlung von sechs Milliarden Euro an Ankara verpflicht­et, als Hilfe für die in der Türkei betreuten syrischen Flüchtling­e. Großbritan­nien als einer der größten EU-Nettozahle­r müsste mehr als eine Milliarde übernehmen.

Den britischen Wählern dürfte kaum zu vermitteln sein, dass ihre Steuergeld­er weit über den Austrittst­ag hinaus nach Brüssel fließen. Doch ohne grundsätzl­iche Einigung bei den Finanzen, den Rechten der in Großbritan­nien lebenden EU-Ausländer und der Grenze zwischen Irland und Nordirland wird Barnier den Regierungs­chefs nicht empfehlen, über einen neuen Partnersch­aftsvertra­g zu sprechen. Schon Ende des Jahres will er soweit sein – angesichts der strittigen Fragen ein mehr als ehrgeizige­r Plan.

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FOTO: DPA „Fertig und gut vorbereite­t“: Michel Barnier, der Brexit-Beauftragt­e der EU, drängt darauf, die Gespräche mit London bald zu starten.

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