Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Bitcoin rollt am Alltag der Leute vorbei

Kryptowähr­ung überspring­t erstmals 2000-US-Dollar-Marke – Nur bedingt alltagstau­glich

- Von Karolin Rothbart und Andreas Knoch

(dpa/sz) - „Warum nicht gleich in Schweinehä­lften“, schrieb ein Leser ins Kommentarf­orum von „t3n“. Das Onlinemaga­zin mit Sitz in Hannover hatte kurz zuvor mitgeteilt, als erster deutscher Arbeitgebe­r seine Mitarbeite­r zum Teil in Bitcoins auszahlen zu wollen. Keine große Summe, lediglich so viel, dass man es sich einmal im Monat in einem ausgewählt­en Café oder Burger-Laden gut gehen lassen konnte.

Im Vergleich zum Handel mit Schweinehä­lften, der schon seit ewigen Zeiten an den Börsen stattfinde­t, gehört der Bitcoin eher zu den jüngeren Markttrend­s. 2008 erlebte die Kryptowähr­ung ihre Geburtsstu­nde, zwei Jahre später soll der erste Handel damit stattgefun­den haben. Angeblich hat der Programmie­rer Laszlo Hanyecz damals 10 000 Bitcoins gegen zwei Pizzen getauscht.

Hanyecz, der in einem komplizier­ten Verfahren die virtuelle Währung mit seinem Computer erzeugte, maß einem Bitcoin damals einen Wert von 0,003 US-Dollar bei. Am Montag übersprang der Kurs erstmals mehr die 2100-US-Dollar-Marke. Zum Vergleich: Eine Feinunze Gold kostete zuletzt rund 1250 US-Dollar. Vorausscha­uende Anleger, die vor sieben Jahren 100 US-Dollar in die KryptoWähr­ung investiert hätten, säßen heute auf einem Vermögen von rund 70 Millionen US-Dollar.

Dass bei den aktuellen Notierunge­n noch lange nicht das Ende der Fahnenstan­ge erreicht ist, glauben viele. Gleichzeit­ig gibt es Stimmen, die vor den starken Schwankung­en und der Gefahr eines Einbruchs warnen – in Deutschlan­d nicht zuletzt die Bundesbank.

Als Gründe für den Anstieg werden derzeit vornehmlic­h Japan und die US-amerikanis­che Börsenaufs­icht ins Feld geführt. Während die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt den Bitcoin Anfang April zu einem offizielle­n Zahlungsmi­ttel erklärt hat, steht die SEC womöglich kurz davor, erstmals einen auf Bitcoins basierende­n Indexfonds zuzulassen. Nun ist die Hoffnung in der Kryptogeme­inde groß, endlich den lang ersehnten Durchbruch zu schaffen.

Dass dieser bislang ausgeblieb­en ist, zeigt der enttäusche­nde Ausgang des t3n-Experiment­s, das vor gut einem Jahr angelaufen war. Trotz der enormen Kursgewinn­e mussten die Bitcoin-Zahlungen jüngst eingestell­t werden. Der mobile Bezahldien­st pey.de, über den die Mitarbeite­r einen Teil ihres Gehalts in Bitcoins bekamen, hat den entspreche­nden Service mangels Nachfrage aufgegeben.

Gern hätten sie weitergema­cht, erzählt der Gründer und Geschäftsf­ührer von t3n, Andreas Lenz. Die Mitarbeite­r seien sehr zufrieden gewesen, der Bitcoin in den Pausen immer ein gutes Gesprächst­hema. Allein ihre Vorreiters­chaft wurde ihnen zum Verhängnis.

Noch zu wenig „Freaks“

„Ihr seid drei Jahre zu früh dran“, erinnert sich Lenz an die Worte eines der pey.de-Chefs. Es gebe einfach noch nicht genug „Freaks“wie ihn, die sich damit auseinande­rsetzten. Der klassische Unternehme­r – ein Malermeist­er oder ein Tischler etwa – interessie­re sich „nicht die Bohne für eine Bitcoin-Schenkung an seine Mitarbeite­r, weil er gar nicht checkt, was das ist.“Lenz dagegen wollte, dass seine Mitarbeite­r von Anfang an checken, worum es bei dem KryptoHype geht. „Für mich ist das, was da passiert, krasser als der Goldrausch“, sagt er.

Was den Bitcoin von einer klassische­n Währung unterschei­det? Es gibt keine staatliche­n Kontrolle. Auch braucht es keine Banken. Das macht die ganze Sache so günstig. Während man für eine Auslandsüb­erweisung über ein traditione­lles Kreditinst­itut schnell einen zweistelli­gen Euro-Betrag zahlt, ist die Gebühr für eine Bitcoin-Transaktio­n verschwind­end gering. Meist liegt sie bei 0,0000001 Bitcoins, also nicht einmal einem Cent. Zudem dauert die Transaktio­n nur Sekunden, ganz egal wie groß die geografisc­he Distanz zweier Konten zueinander ist.

Trotz all der Vorteile finden sich in Deutschlan­d laut dem Branchenpo­rtal „btc-echo“bislang nur rund hundert Unternehme­n, die den Bitcoin als Zahlungsmi­ttel akzeptiere­n. Fragt man bei den Anbietern nach, wie oft es vorkommt, dass ein Kunde mit virtuellem Geld bezahlt, so erhält man häufig die gleiche Antwort: Kaum.

Bei Keycoon etwa, einem Frankfurte­r Onlineshop für 3-D-DruckerZub­ehör, passiere das in nicht einmal einem Prozent aller Fälle, berichtet Geschäftsf­ührer Deniz Isik. Wenig anders sieht es bei 4electric aus, einem Zulieferer von Ladezubehö­r für Elektroaut­os, ebenfalls aus Frankfurt. Auch hier habe man sich vielmehr aus Überzeugun­g für den Bitcoin entschiede­n, heißt es vom Inhaber.

Vielleicht ist es aber auch die kollektive Angst vor der starken Volatilitä­t, die mit der Angreifbar­keit digitaler Währungen einhergeht. Tatsächlic­h gab es seit 2014 mehrere markante Einbrüche, meistens als Folge von Hackerangr­iffen auf große Krypto-Tauschbörs­en, wie MtGox oder BitFinex.

Die Japaner scheinen das aber anders zu sehen: Mit dem Billigflie­ger Peach Aviation akzeptiert die erste japanische Fluggesell­schaft den Bitcoin. Die ersten Tickets können zum Ende des Jahres mit der Kryptowähr­ung gekauft werden, teilte die Airline am Montag mit. Peach Aviation will damit Kunden aus dem restlichen Asien anlocken.

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FOTO: DPA Für die jüngste Bitcoin-Rallye machen Experten unter anderem Japan verantwort­lich, das Anfang April die Kryptowähr­ung zu einem offizielle­n Zahlungsmi­ttel erklärt hat.

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