Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zur Person Geehrter

- Timothy Garton Ash

Dass am Donnerstag aus den Händen von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier den Karlspreis erhalten hat, spiegelt neben der Hochachtun­g für den Oxforder Publiziste­n und Hochschull­ehrer das Wunschdenk­en der Verleiher wider. Ausdrückli­ch ehren die Aachener TGA, wie Garton Ash Uni-intern abgekürzt wird, auch als „führenden Pro-Europäer“eines Landes, das im vergangene­n Jahr der Europäisch­en Union den Rücken gekehrt hat.

Der Historiker empfindet den Brexit als „größte Niederlage meines politische­n Lebens“. Neben der Absage an die Brüsseler Institutio­nen, denen auch TGA immer wieder kritisch gegenübers­tand, symbolisie­rt der Brexit Großbritan­niens Abkehr von einer Politik, die auf die Einglieder­ung einst kommunisti­scher Staaten in die westliche Wertegemei­nschaft abzielte.

Genau das war und ist Garton Ashs Thema seit Ende der 1970er-Jahre, als der Doktorand in West-Berlin die DDR für sich entdeckte. TGA lebte eine Zeitlang in Ost-Berlin, später auch in Polen, von wo seine Frau stammt. Die friedliche­n Revolution­en in Mittel- und Osteuropa machten ihn berühmt, sein Buch „Ein Jahrhunder­t wird abgewählt“wurde ebenso zum Bestseller wie „Die Akte Romeo“, eine superbe Reflektion über seine Stasi-Akte. Ähnlicher Erfolg blieb jüngeren Büchern, zuletzt einem Debattenan­stoß zur Redefreihe­it in Zeiten des Internets, verwehrt.

Der 61-Jährige tritt gern very british auf, etwa in rosa Hemd zum braunen Anzug, und verkörpert die Fähigkeit der Briten, kühl und differenzi­ert über die Welt nachzudenk­en, die Ergebnisse seiner Analyse aber in konkreter, den Menschen naher Sprache zu präsentier­en. Wer den Professor am Oxforder St. Antony’s College aus der Nähe erlebt, trifft auf einen leidenscha­ftlich an anderen Ländern, zuvörderst Deutschlan­d, interessie­rten Menschen.

Sebastian Borger

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FOTO: DPA Timothy Garton Ash

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