Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein kulinarischer Ritt auf dem Rössle in Laupheim
Kurz ein paar knappe Worte in eigener Sache: Bisweilen wird fahrenden Restaurantkritikern vorgeworfen, sie fräßen sich ungeniert auf fremde Rechnung durch die Gegend. Diesen Leuten sei gesagt: Das stimmt nicht. Denn auch die Getränke muss der Verlag und nicht der Kritiker bezahlen. Korrekt muss es also heißen: „Fahrende Restaurantkritiker fressen und saufen sich ungeniert auf fremde Rechnung durch die Gegend.” Ich hoffe, damit die per elektronischem Brief vorgebrachte Frage von Josef H. aus B. ausreichend beantwortet zu haben.
Nun aber zum eigentlichen Thema, dem Essen nämlich. Und das beginnt bei der Vorspeise im Laupheimer Ristorante Rössle mit der Frage, wie ein Vitello Tonnato, also gekochVorspeise tes Kalbfleisch mit Thunfisch-Soße, zu sein hat. Im Rössle jedenfalls fällt auf, dass das Fleisch dünn wie Schinken aufgeschnitten auf dem Teller liegt. Das Aroma ist allein wegen der filigranen Stärke außerordentlich unscheinbar. Das gilt leider auch für die Sauce, die viel mehr eine Mayonnaise ist, kaum nach Thunfisch schmeckt und kein bisschen nach Olivenöl, was andernorts den intensiven Charakter dieses Klassikers mitbestimmt. Für 12,50 Euro liefert die Vorspeise jedenfalls keinen zwingenden Grund, in Jauchzen auszubrechen. Wie würde der Schwabe so schön sagen, wenn er besonders böse sein wollte: „Der Hunger treibt’s nei.” Freundlicher und treffender sei gesagt: Beim Vitello ist noch deutlich Luft nach oben. Als brodelndes Glanzstück hochkalorischer Glückseligkeit serviert die vollendet aufmerksame Kellnerin dann eine Lasagne mit Lachs und Brokkoli. Und dieser Hauptgang überrascht nach der mit ganzer Kraft: Die Teigplatten haben noch einen wunderbaren Biss, der zarte Fisch ist überhaupt nicht ausgetrocknet und selbst der Brokkoli – eines der meist überschätzten Gemüse überhaupt – ist trotz der Ofenhitze und des knusprigen Käses noch grün und knackig. Das lässt auf ein ungemein exaktes Timing bei der Zubereitung sowie sehr frische Zutaten schließen. Und weil diese Pracht dermaßen heiß ist, bleibt ein bisschen Zeit um das Ganze abkühlen und den Blick schweifen zu lassen.
Die Atmosphäre im Rössle wird bestimmt durch geradliniges Mobiliar in dunklem Holz. Polster in Rot bilden dazu einen gediegenen Kontrast. Damit drückt das Interieur das aus, was auch das Essen – von der Vorspeise abgesehen – erzählt: Nämlich, dass das Rössle ein Italiener mit Anspruch und keine Wald- und-Wiesen-Pizzeria ist. Wer für diese Aussage noch einen Beleg gesucht hat, bekommt ihn spätestens mit der Panna Cotta. Zwar finden sich in der sahnigen Creme keine Reste von echter Vanille. Doch ihr Fehlen öffnet die Sinne für die samtige Konsistenz und den unverfälschten Sahnegeschmack. Unwiderstehlich!
Und so ist der Nachtisch, der übrigens von einer fruchtigen Soße aus Kiwi oder Stachelbeere begleitet wird, wie ein essbarer Abschiedskuss, zart und flüchtig und ein guter Grund, wiederzukommen. Überhaupt ist das Angebot der offenbar sorgfältig komponierten Karte ein Querschnitt der italienischen Küche, der weit über Pizza und Pasta hinausgeht und gerade beim Fisch hohe Kompetenz zeigt. Übrigens: Auch die Weinempfehlung der sympathischen Kellnerin trägt zum positiven Gesamteindruck bei.