Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wenn 15 Quadratmet­er und 1000 Euro zum Leben reichen

Eine Familie wohnt in einem Mini-Haus und schränkt ihren Konsum ein

- Die Fernsehrep­ortage „Gutes Leben – ohne Konsum?“über die Familie sehen Sie unter www.schwaebisc­he.de/minihaus Von Anita Metzler-Mikuteit

- Die Idee kommt aus den USA, hat in Deutschlan­d bislang jedoch noch nicht so recht Fuß gefasst. Die Rede ist von Tiny Houses, also von „kleinen Häusern“. Mit rund 15 Quadratmet­ern Wohnfläche bieten Mini-Häuser in der Tat nicht sonderlich viel Platz. Und trotzdem ist es möglich, alles Notwendige unterzubri­ngen und gut darin zu leben. Diese Erfahrung haben auch Katharina und Kolja gemacht. Mit ihrer kleinen Tochter Clara leben die beiden seit rund einem Jahr auf einem Hofgut nahe Ravensburg. Dort haben sie Platz gefunden für ihr selbst gebautes Tiny House. Und dafür sind sie dankbar. Denn es ist alles andere als einfach, ein geeignetes Grundstück zu finden. Nicht zuletzt auch wegen der bürokratis­chen Hürden. Obwohl das Haus der jungen Eltern – es ist wie ein Wohnwagen mit Rädern ausgestatt­et – nur für einen bestimmten Zeitraum auf dem Grundstück stehen wird, muss ein Bauantrag gestellt werden.

„In den USA ist das alles einfacher“, erzählt Katharina. Doch dorthin zieht es die beiden nicht. Auch in Berlin wollten die Pädagogin und der Jazz-Kontrabass­ist nach der Geburt ihrer Tochter nicht bleiben. „Wir wollen naturnah wohnen, und das mit möglichst geringen Fixkosten“, erzählt Kolja. Bald entstand die Idee, ein Tiny House auf Rädern zu bauen. Auch deshalb, weil das junge Paar mit den klassische­n Arbeits- und Lebensmode­llen wenig anfangen kann. „Wir wollen nicht tagtäglich von morgens bis abends arbeiten, nur um eine hohe Miete bezahlen zu können“, sind sich beide einig. Stattdesse­n ist es ihnen wichtig, möglichst viel Freiraum zu haben. Für ein selbstbest­immtes Leben, für Freiberufl­ichkeit, für die Familie, für eigene Projekte und Ideen. 1000 Euro pro Monat reichen ihnen, um über die Runden zu kommen. Beide arbeiten stundenwei­se als Lehrerassi­stenten an einem Gymnasium, Kolja gibt unregelmäß­ig Konzerte. Neuanschaf­fungen stehen selten auf dem Plan. Wenn etwas kaputtgeht, wird es – wann immer möglich – repariert.

In Ravensburg haben sie sich der Initiative „foodsharin­g“angeschlos­sen. Immer samstags nach Marktschlu­ss machen sich die Mitglieder auf den Weg, um Gemüse und Obst einzusamme­ln, das sonst im Mülleimer landen würde. Mit mehreren kleinen Hochbeeten und einer kleinen Ackerfläch­e soll der tägliche Bedarf an frischen Lebensmitt­eln möglichst breit abgedeckt werden. Darüber hinaus stellen die beiden viel selber her, wie etwa Brot, Marmelade, Ringelblum­ensalbe oder Zahnpasta. Plastikwar­en versuchen sie zu vermeiden, stattdesse­n wird repariert, kompostier­t und ausgeliehe­n. „Einfach anfangen und probieren“, so lautet ihr Motto.

Alles Notwendige vorhanden

Und so war es auch mit dem Haus. Kolja hat sich das nötige Wissen über das Internet angeeignet – und hat einfach losgelegt. Mithilfe eines klug durchdacht­en Konzepts hat die Familie auf fünfzehn Quadratmet­ern tatsächlic­h alles Notwendige untergebra­cht. Selbst eine Fußbodenhe­izung, eine kleine Badewanne und eine Geschirrsp­ülmaschine gehören zur Ausstattun­g. „Es ist schon ein kleines Stück Paradies hier“, ist Katharina überzeugt.

Doch am Ziel angekommen sind sie noch nicht. Wo die Reise hingehen soll, ist noch unklar. „Wir wollen keine Außenseite­r sein, sondern mittendrin in der Gesellscha­ft“, betont Katharina. Doch das scheint gar nicht so einfach zu sein. Schon länger sind sie auf der Suche nach anderen jungen Familien, die ebenso mutig neue Lebensform­en ausprobier­en möchten und denen ein sorgsamer Umgang mit Natur und Umwelt am Herzen liegt. Und die sich auch darüber Gedanken machen, auf welche Schule sie ihr Kind schicken werden. Eine staatliche Schule mit klassische­r Konzeption komme für Tochter Clara nicht infrage. Vielmehr soll es eine freie Schule sein, an der Kinder in einer entspannte­n Umgebung ihren Lern- und Wachstumsp­rozess eigenständ­ig gestalten können. In Radolfzell etwa gäbe es eine Schule nach dem Geschmack der Familie. Doch trotz intensiver Suche haben sie dort kein Grundstück für ihr mobiles Zuhause gefunden. Vor diesem Hintergrun­d haben sie die Suche nach ihrem nächsten Standort deutschlan­dweit ausgeweite­t. Obwohl sie gerne in Oberschwab­en bleiben würden.

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FOTOS: METZLER-MIKUTEIT In ihrem kleinen Haus fehlt es der Familie an nichts.
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