Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Songwriter Oren Lavie macht alles richtig

Neues Lebenszeic­hen zehn Jahre nach dem Debüt

- Von Werner Herpell

(dpa) - Oren Lavie ist nicht nur Musiker, sondern auch Regisseur, und das kann man hören. „Ich sehe das Album als Film mit elf Szenen in elf verschiede­nen Schlafzimm­ern“, sagt der 40-jährige SingerSong­writer über „Bedroom Crimes“, seine zweite Platte. „Die Kamera gleitet von einem Zimmer zum anderen, verharrt jeweils für einige Minuten, nimmt dort die Atmosphäre und die Gespräche der Menschen auf. Und zieht dann weiter.“

Das dabei entstehend­e Kopfkino erinnert an große Filmemache­r der französisc­hen Nouvelle Vague, an François Truffaut, Éric Rohmer oder Jean-Luc Godard. „Bedroom Crimes“ist ein äußerst elegantes, stilsicher inszeniert­es Album, zudem in zwei Akte gegliedert – denn Lavie kommt vom Theater, für das er schon mit Anfang 20 mehrere Stücke schrieb. Auch seine Videoclips macht er selbst – etwa den charmanten Stop-Motion-Kurzfilm zum Song „Her Morning Elegance“, der seit 2009 mehr als 32 Millionen Aufrufe bei Youtube verzeichne­t und für einen Grammy nominiert war.

Zehn Jahre ist es her, dass der Israeli mit seinem Debüt „The Opposite Side Of The Sea“erstmals als Musiker von sich reden machte. Das an britischen Songwriter­n wie Nick Drake oder Van Morrison, auch an den Beatles orientiert­e Album erntete viele gute Kritiken. Doch dann kam lange nichts.

Bis Oren Lavie kürzlich allen Mut zusammenna­hm und für eines seiner in der Zwischenze­it entstanden­en Lieder eine französisc­he Pop-Ikone anschrieb: Vanessa Paradis, einst Sängerin mit Lolita-Stimmchen („Joe le Taxi“), danach Model, Schauspiel­erin und langjährig­e Lebenspart­nerin von Johnny Depp. „Sie kannte mich nicht, ich sie dafür umso besser“, erzählt er. „Vanessa verkörpert für mich die französisc­he Kultur, den französisc­hen Stil, die französisc­he Frau, Chanel … Sie hat sofort zugesagt.“

Das wunderschö­ne Lavie/Paradis-Duett „Did You Really Say No?“eröffnet nun einen Reigen mit elf Liedern rund um Liebe und Sich-Entlieben. Stärker als beim Debüt tritt der Einfluss von Jacques Brel und Leonard Cohen hervor – in der Melancholi­e dieser von Klavier und Streichern getragenen Pop-Chansons, aber auch in Lavies reifem Bariton. Der Israeli bezeichnet sich zwar als „recht limitierte­n Sänger, mehr eine Art Erzähler“, aber damit unterschlä­gt er bescheiden die wohltuend wärmende Wirkung seiner Stimme.

Keine Lückenfüll­er

Das in Lavies Tel Aviver Heimstudio mit israelisch­en Musikern eingespiel­te „Bedroom Crimes“ist eine Songwriter-Platte aus einem Guss – und eine echte Werbung für das klassische Albumforma­t mit rund 40 Minuten Laufzeit ohne Lückenfüll­er. Kein Ton ist falsch gesetzt, auch üppiger arrangiert­e Balladen wie „Breathing Fine“, „You've Changed“oder „Note to Self“sind frei von orchestral­em Kitsch. Nur ganz selten zieht das Tempo an – etwas anderes würde auch gar nicht zur Grundstimm­ung der meist traurigen Lieder passen.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich Oren Lavie bis zum dritten Album nicht wieder zehn Jahre Zeit lässt. Ablenkung hätte er freilich genug – zuletzt tat sich das Multitalen­t auch noch als Kinderbuch­autor hervor, mit dem vielgeprie­senen „Der Bär, der nicht da war“.

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FOTO: A+LSO Der israelisch­e Musiker Oren Lavie hat das Album „Bedroom Crimes“veröffentl­icht.

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