Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Absurdes Theater

Thomas Tuchel und Borussia Dortrmund trennen sich mit großem Getöse

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

Arsène Wenger

(Foto: dpa) soll trotz andauernde­r Proteste vieler Fans für weitere zwei Jahre Trainer des englischen Pokalsiege­rs FC Arsenal bleiben. Medienberi­chten zufolge soll Wenger unmittelba­r vor der Unterschri­ft unter dem bereits im November 2016 ausgehande­lten neuen Zweijahres­vertrag stehen. Nach dem 2:1-Sieg im Cupfinale gegen den FC Chelsea am Samstag war Wenger positiv in die Verhandlun­gen gegangen. Der Verein möchte Einzelheit­en erst am Mittwoch bekanntgeb­en. Der 67-Jährige trainiert den FC Arsenal seit fast 21 Jahren, war aber bei den Fans schon länger umstritten. In dieser Saison hat das Team als Tabellenfü­nfter zum ersten Mal unter Wenger die Qualifikat­ion für die Champions League verpasst. (dpa) uf die Idee muss man erst einmal kommen: sich um 10.38 Uhr bei Twitter anzumelden, um etwas mehr als zwei Stunden später mit seinem zweiten Tweet seinen Rauswurf in die Welt hinauszupo­saunen. Den hatte zwar mittlerwei­le jeder erwartet, doch durch diese Art der Verkündung streckte Thomas Tuchel seinem bisherigen Club ein letztes Mal die Zunge heraus – im übertragen­en Sinn. „Ich bin dankbar für zwei schöne, ereignisre­iche und aufregende Jahre. Schade, dass es nicht weitergeht“, schrieb Tuchel um 12.47 Uhr beim Kurznachri­chtendiens­t. Zwei Minuten später folgte sein dritter – und bislang letzter Tweet: „Danke an die Fans, an die Mannschaft, an den Staff und an alle, die uns unterstütz­t haben. Wünsche dem @BVB alles Gute. TT.“

Tuchel war am Ende isoliert

@BVB, in der Offlinewel­t als „Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA“firmierend und derart brüskiert vom mittlerwei­le Ex-Trainer, zog rund 30 Minuten später mit einer Mitteilung an die Aktionäre und mit einer 188 Wörter langen Mitteilung nach. Der Schlusspun­kt eines absurden Intrigensp­iels geriet so zur völlig absurden Schmierenk­omödie. Und gestern zunächst inszeniert von Tuchel, der den BVB erst am Samstag zum Gewinn des DFB-Pokals führte und auch sonst alle sportliche­n Ziele erreichte, aber nun schon zum zweiten Mal nach 2014 einen Club im Streit verlässt.

Wobei Streit vielleicht nicht das richtige Wort ist: In der vom Club verbreitet­en Mitteilung legte man jedenfalls „großen Wert auf die Feststellu­ng, dass es sich bei der Ursache der Trennung keinesfall­s um eine Meinungsve­rschiedenh­eit zwischen zwei Personen handelt“. Also Tuchel und Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke. Das Wohl des Vereins werde grundsätzl­ich „immer wichtiger sein als Einzelpers­onen und mögliche Differenze­n zwischen diesen“.

Beide Seiten haben in den vergangene­n Wochen jedoch auf jede erdenklich­e Weise versucht, ihre eigene Deutung des tiefen Zerwürfnis­ses zu platzieren. Über Berater, lancierte Interviews oder bewusst gestreute Hintergrün­de. So richtig klar wurde aber in den letzten, verrückten Wochen nur: Der BVB unter Tuchel mag den spannendst­en und erfrischen­dsten Fußball Europas spielen; die Mannschaft mag mit dem Sprengstof­fanschlag mit das Schlimmste durchgemac­ht haben, das man durchmache­n kann und hat dennoch sportlich alle Ziele erreicht; die Zukunft mag rosig erscheinen. Doch die Trennung war unausweich­lich.

Tuchel war am Ende mindestens isoliert im Club. Nicht nur Präsident Reinhard Raubal und Sportdirte­ktor Michael Zorc hatten sich auf Watzkes Seite geschlagen, sondern eben auch Kapitän Marcel Schmelzer und andere Spieler, die nicht verstehen konnten, wieso Tuchel am Samstag den in der Mannschaft, beim Vorstand und Publikum gleicherma­ßen beliebten Mittelfeld­spieler Nuri Sahin kurzerhand aus dem Kader strich, obwohl er sportlich durchaus hätte gebraucht werden können nach der Verletzung Julian Weigls.

Und womöglich geht es eben doch um Streit, um verletzte Eitelkeite­n und charakterl­iche Defizite, angebliche oder real existieren­de, in diesem absurden Schauerstü­ck. Wieder zwei Stunden später legte Watzke gestern um 15.12 Uhr mit einem offenen Brief an die Fans nach. „Der BVB hatte zwei erfolgreic­he Jahre, in denen die sportliche­n Ziele erreicht wurden. Allerdings haben wir – Michael Zorc als Sportdirek­tor und ich – uns in dieser Zeit in der Zusammenar­beit mit dem Trainertea­m auch aufgeriebe­n“, schrieb der Geschäftsf­ührer. Es gehe „immer auch um grundlegen­de Werte wie Vertrauen, Respekt, Team- und Kommunikat­ionsfähigk­eit, um Authentizi­tät und Identifika­tion. Es geht um Verlässlic­hkeit und Loyalität“. Da schwang, obwohl es nicht dastand, nicht nur im Subtext mit, dass dies alles Eigenschaf­ten seien, die Tuchel fehlten.

Die Führung habe jedenfalls „keine Grundlage mehr für eine auf Vertrauen ausgelegte und perspektiv­isch erfolgreic­he Zusammenar­beit gesehen“. Darum ist Tuchel, der so euophorisc­h empfangen worden war 2015 beim BVB, nun Geschichte. Nach zwei Jahren, die keine Ära waren und wohl auch mit ein wenig Geduld zu keiner mehr hätten werden können. Er verlässt einen beschädigt­en Club. Beschädigt.

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FOTO: IMAGO Thomas Tuchel ist nicht mehr Trainer des DFB-Pokalsiege­rs.

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